Vom offenen Konflikt zum Friedensprozeß - Die Rolle der Kirchen im Wiederaufbau einer zerrissenen Gesellschaft

Dokumentation eines Seminars mit christlichen Friedensarbeiterinnen und -arbeitern aus den Balkan

Einführung

Seit Jahren bestehen Partnerschaften zwischen Mitgliedern des Netzes von Church and Peace und Menschen in verschiedenen Ländern der Krisenregion auf dem Balkan. Die dort geleisteten Dienste sind unterschiedlichster Art: Humanitäre Hilfe, Mediation, Training in gewaltfreier Konfliktbewältigung, Aufnahme und Betreuung von Flüchtlingen, Bildung neuer Arbeitsplätze, Wiederaufbau, Begleitung von rückkehrenden Familien, Traumaberatung. Im Laufe der Jahre sind über die Grenzen hinweg Arbeitsbeziehungen und Freundschaften entstanden, ohne jegliche Berücksichtigung der Grenzziehungen zwischen Freund und Feind, wie sie von der öffentlichen Meinung und den Regierungen akzeptiert worden sind.

So erschien es nach zehn Jahren selbstverständlich, diese Beziehungen mittels eines Treffens zu verstärken, das dazu verhelfen sollte, sich (wieder) zu finden, aufzuatmen, eine Bestandsaufnahme zu machen und gemeinsam der Zukunft der Friedensarbeit ins Auge zu schauen. In Elspeet Niederlanden fand vom 24. Bis 29. April dieses Jahres diese Begegnung in zwei Phasen statt, zunächst drei Tage lang als kleineres Seminar, im Anschluss daran als internationale Tagung für Mitglieder und Freunde des Netzes aus ganz Europa. Dieses Heft ist der Versuch, die erste Phase der Begegnung wiederzugeben, sowie die Reaktionen, die darauf an Ort und Stelle folgten, sowie in den Wochen danach.

Der Einladung von Church and Peace sind 14 Teilnehmer gefolgt, aus Kroatien, Bosnien, Serbien, Mazedonien und dem Kosovo, aus allen Religions- und Denominationshorizonten und aus den unterschiedlichsten Berufssparten. Aus dem Netz von Church and Peace kamen die entsprechende Anzahl von Angehörigen des Teams und Mitgliedern aus Frankreich, Deutschland, der Schweiz und den Niederlanden. Für einige Teilnehmer war es das erste Mal nach zehn Jahren, dass sie Menschen aus feindlichen Staaten begegneten, so kam der Dialog nicht sofort zustande. Es brauchte Zeit, ob im Rahmen des Programms oder in der inoffiziellen Begegnung, bis die Stimmung sich lockern konnte.

Dieses Heft veranschaulicht die Phasen dieses Seminars:

• Erste Phase: die geschichtliche Analyse der Jugoslawien-Krise durch den baptistischen Pastor Aleksandar Birvis aus Belgrad.

Diese Analyse wurde heftig kritisiert. Für den einzigen orthodoxen Teilnehmer stellte sie einen Angriff auf seine Kirche dar und ein Verkennen ihrer Leiden. Der bosnische Teilnehmer von der vereinten methodistischen Kirche äußerte in einem Brief die Ansicht, dass die Analyse eine unbegründete Angst vor dem Islam zeige und die Jugoslawien-Krise als einen Konflikt mit internem Charakter darstelle statt als einen Angriffskrieg gegen Länder, die sich für die Unabhängigkeit entschieden haben. Er ging von seiner Erfahrung in Sarajevo und Mostar aus und konnte die Ansicht Birvis zum Separatismus so nicht teilen. Ebenso verwarf er die Meinung, dass Menschen auf dem Balkan immer bereit sind, sich neue Feinde zu erfinden. Die Teilnehmer aus Westeuropa stellten ihrerseits die Behauptung in Frage, dass die von Birvis genannte "byzantinische Mentalität" eine jugoslawische Spezialität sei, da sie doch der Denkart manch eines Regierenden in den westlichen Demokratien sehr ähnlich sei... Es entstanden lebhafte, manchmal heftige Wortgefechte, Spiegel der komplexen Problematik und der damit verbundenen tiefen Emotionen. In manchen Diskussionspunkten gab es Kettenreaktionen: die Kritik an der offiziellen Kirche löste den Protest des orthodoxen Teilnehmers aus: so viele Leid- und Verlusterfahrungen habe das serbisch-orthodoxe Volk seit Jahrhunderten in seiner Geschichte erfahren; daraufhin sprach die kosovo-albanische Teilnehmerin vom Leid ihrer Landsleute...

Nicht weniger leidenschaftlich verliefen die Diskussionen zur Rolle der Kirche. Es ging vor allem um den Standort der evangelischen Kirchen im Balkankontext, um die Frage, ob sie vereinigend wirken, da sie Menschen verschiedensten Ursprungs bei sich aufnehmen und ihre Hilfswerke jedem Menschen zugute kommen, unabhängig von seiner religiösen oder nationalen Identität. Oder ob sie einen zusätzlichen Trennungsfaktor darstellen in einer Gesellschaft, wo Pluralismus Argwohn hervorruft. Auch zu diesem Thema liefen die Meinungen auseinander: der serbische Baptist oder der mazedonische Pfingstler beklagten ihren Schmerz, dass ihre jeweilige Kirche abgelehnt und geächtet wird, während der bosnische Methodist vertrauensvoll meinte, dass die protestantischen Kirchen ihren Platz in der Gesellschaft auf dem Balkan finden können und sollen. Die Debatte blieb offen und wird weitergehen. Das in Elspeet Gesagte zeigte jedoch, dass es sich um ein empfindliches Thema handelt, das mit Feingefühl angegangen werden muss.

 

• Zweite Phase: Joe Campbell, Mediator aus Nordirland, regte seine Zuhörer an, einen neuen Blick auf die Konflikte zwischen Ethnien und Religionen zu werfen. Er berichtete über die in seinem Land unter-nommenen Schritte, erzählte von den Bedingungen, unter denen Versöhnungsarbeit möglich ist, sowie vom Beitrag der Kirchen zum Friedensprozess.

Das von ihm Vorgetragene ließe sich nicht automatisch auf die Situation auf dem Balkan übertragen, aber seine Rede lenkte die Aufmerksamkeit auf grundlegende Wahrheiten, welche die Frucht von Erfahrungen sind und Hoffnungs- und Ermutigungszeichen darstellen. Seine Impulse stellen eine Herausforderung dar, insbesondere für die Kirchen: sie zwingen, nach vorne zu schauen, Phantasie zu entwickeln, Engagement zu zeigen.

Sein Plädoyer gegen die Routine, die Apathie und das Selbstmitleid berührte seine Zuhörer. Seine 30 Jahre Praxis im Dienste des Friedens und der Versöhnung waren in den angeführten Beispielen spürbar und machten ihn glaubhaft.

Morgens und abends brachten Gebetszeiten eine geistliche Vertiefung und luden die Teilnehmer ein, sich auf ihre gemeinsame Grundlage zu besinnen. Körperübungen waren auch vorgesehen. Die extrem große Bandbreite der Teilnehmer, der Zeitfaktor und eine gewisse Schwerfälligkeit im Programmablauf verhinderten, dass diesen Elementen die Gewichtigkeit zukam, die ihnen zugestanden hätte... Aus dem von Schwester Irmtraud, Communauté de Grandchamp, zusammengestellten Andachtsheft haben wir Auszüge aufgenommen, um den Geist der Gebetszeiten in dieser Schrift anzudeuten.

Ist die Tragweite eines solchen Seminars fassbar? Einige Teilnehmer haben ihre Eindrücke schriftlich formuliert:

"Mir wurde bei dieser Begegnung bewusst, dass wir einander nicht wirklich kennen; was wir tun, was wir glauben, ist dem/der Anderen fremd. Das ist der Grund für unsere Feindschaft. Der Konflikt kann nur beendet sein, wenn wir zum Gespräch bereit sind, wenn wir einander vertrauen, wertschätzen, lieben wollen... Die Menschen müssen unterstützt und ermutigt werden, einander näher zu kommen, einander besser zu verstehen, mit den Unterschieden zu leben..."

"Das Seminar und die Tagung haben mir ermöglicht, für einige Tage mein Engagement mit einem gewissen Abstand zu betrachten, neue Formen des Engagements und neue Menschen kennenzulernen. Sie haben in mir das Gefühl verstärkt, zu einem Netz von Friedensarbeitern zu gehören."

"Das Seminar hat ganz deutlich gezeigt, dass Gottes Geist uns geleitet hat. Wir konnten einander mitteilen und zuhören. Die Erfahrung hat uns teilnehmen lassen am Leben der Anderen. Trotz der großen Herausforderungen und schwierigen Aufgaben, die uns in Zukunft erwarten, ist es noch Tag und es gibt für uns so viele Möglichkeiten, die christlichen Werte in unsere heutige Welt zu bringen (...) Wir Teilnehmer aus den Balkanländern haben schöne Momente mit euch verbracht, aber das Wichtigste waren die Kontakte untereinander. In dem Rahmen, den Ihr uns ermöglicht habt, konnten wir einander Zeit widmen. Das ist vor allem der Bereich, auf dem wir die Hilfe der westlichen Christen brauchen. Euer eigener Durst nach Erneuerung für Eure Kirchen hat uns auch gut getan. Ich glaube, dass diese Begegnung uns eine klarere Orientierung geschenkt hat für unsere künftige Arbeit und für das Engagement der Kirche in der Friedens- und Versöhnungsarbeit auf dem Balkan. Der Same dazu ist uns ins Herz gelegt worden."

Die Organisatoren und die westlichen Teilnehmer haben die Erfahrungen bei diesem Seminar etwas anders ausgewertet:

Einige von ihnen beklagen, dass das Thema des Nato-Angriffs 1999 nicht behandelt wurde, selbst wenn es bei der Vorstellungsrunde erwähnt wurde. "Wir aus dem Westen hätten darauf bestehen sollen, selbst wenn einige serbische Teilnehmer nicht darüber sprechen wollten. Denn in allen Nachrichten aus Serbien, die ich erhalte, wird der Nato-Krieg ständig erwähnt. Ich habe das Gefühl, dass wir eine Gelegenheit verpasst haben. Von Versöhnung kann erst die Rede sein, wenn der Konflikt benannt und zugegeben wurde."

Es ist auch bedauerlich, dass die Herausforderungen, die durch den Konflikt auf dem Balkan an unsere Theologie gestellt wurden, nur oberflächlich behandelt wurden. Da gibt es noch einiges an konzentrierter Arbeit zu leisten.

Letztlich endete das Seminar ohne dass wirklich Schlüsse gezogen werden konnten, so dass manche in ihren Erwartungen enttäuscht wurden...

Dennoch überwiegt im Großen und Ganzen ein Gefühl tiefer Dankbarkeit und Freude, dass es möglich gewesen ist, Menschen aus allen von der 10 Jahre alten Krise betroffenen Ländern und aus allen christlichen Konfessionen zusammen kommen zu lassen selbst wenn ein einziger Teilnehmer orthodoxen Glaubens dabei war und eine einzige Person die Kosovo-Albaner vertrat.

Es war auch eine Freude, dem schwierigen, aber fruchtbaren Prozess zwischen den Gästen aus dem Balkan beizuwohnen. Konkretes ist bereits daraus entstanden und so ist zu hoffen, dass es in diesem Sinne weiter-geht. Zwei Beispiele dafür: dem Kontakt zwischen baptistischen Vertretern des Hilfswerkes Bread of Life und dem serbisch-orthodoxen Priester müssten konkrete humanitäre Projekte folgen. Desgleichen wurden den mazedonischen Teilnehmern die logistische Erfahrung von Bread of Life zur Verfügung gestellt.

Wie ein roter Faden erklang während des gesamten Seminars und der anschließenden Tagung die etwas leisere Stimme von Bukurija. Bukurija ist eine albanische Pfarrerin aus dem Kosovo. 1999 blieb sie in ihrem Land, während alle flüchteten, weil sie überzeugt war, dass es Gottes Wille sei, dass sie in dieser Zeit Fürbitte tut. Klein und zart gebaut, kam sie sehr müde zu unserem Seminar. Ihre geringen englischen Sprachkenntnissen erschwerten ihr das Verständnis bei den Vorträgen und Diskussionen. Dennoch hat sie sich intensiv an der Tagung beteiligt und in den entscheidenden Augenblicken Worte der Versöhnung - öffentlich oder privat- gesprochen: nach dem Bericht des orthodoxen Teilnehmers zu den Leiden seines Volkes erwähnte sie auch die Leiden ihres Volkes, versicherte aber im selben Atemzug, dass Gott ihr hilft zu verzeihen. Während einer Quäker-Andacht bei der internationalen Tagung flüsterte sie ihrem Nachbarn zu, dass sie die Serben um Verzeihung bitten möchte für das Leid, das ihr Volk ihnen zugefügt hat. Beim Schlussgottesdienst stand sie zum Zeitpunkt des Abendmahls mitten unter serbischen Teilnehmern, da fragte sie ein deutscher Teilnehmer: Wie fühlst du dich hier?. Ihre Antwort: Der Leib Christi ist nicht geteilt.

Wenn dieser Satz für alle Teilnehmer stimmt, dann kann das Seminar als erfolgreich angesehen werden.

Marie-Noëlle von der Recke

Übersetzung aus dem Französischen: Silvia von Verschuer

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Hoffnung

“Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabgekommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine grosse Stimme von dem Thron her, die prach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.” (Offenbarung 21, 2-4)

Neuere Kommentare wie der von Pablo Richard erklären, dass das Kommen des neuen Jerusalems vom Himmel nicht in ferner Zukunft nach dem Ende dieser Welt zu erwarten ist, sondern dass diese Vision bedeutet, dass, wenn wir mit unseren Möglichkeiten am Ende sind, Gott noch eine andere, alternative Möglichkeit hat: vom Himmel, d.h. von Gott, kommt eine für alle offene Stadt, in der alle in Frieden leben können. Deshalb kann die Apokalypse als ein Buch des Widerstands und der Hoffnung für heute gelesen werden.

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Eine Sicht der Konflikte im ehemaligen Jugoslawien

Aleksandar Birvis

Einführung

Ich lebe aus freien Stücken auf dem Balkan. Obgleich ich hier geboren wurde, hätte ich jederzeit auf Grund meines deutschen Namens das Land verlassen können und dies bereits in jungen Jahren (1955), als ich als einer der wenigen in unserem Land einen Reisepass erhielt und der Westen allen Asyl bot, die danach fragten.

Auch meine Ehefrau, die einen deutschen Elternteil besaß, erhielt einen Reisepass, und ihr wurde in Österreich eine Arbeit angeboten. Wir hätten also zu Verwandten nach Graz oder in die Steiermark ziehen und Jugoslawien aus der Ferne betrachten können. Für den größten Teil des 20. Jahrhunderts hätten wir ein Leben führen können ohne Tito, Milosevic und all die anderen bekannten und unbekannten Diktatoren und ihre Berater.

Was war der Grund für unser Bleiben in diesem Land? Bestimmt nicht Patriotismus. Ich habe sehr schnell verstanden, dass die Regierungen in den Balkanstaaten ihre eigentliche Aufgabe nicht darin sahen, ihre Bürger zu unterstützen und ihnen zu dienen. Sie waren vielmehr gut geschmierte Maschinen, die die Politiker zu ihrem eigenen Nutzen einsetzten und die den Bürgern Not und Entbehrungen brachten und ihre Hoffnung für die Zukunft düster erscheinen ließ.

Wirtschaftliche Überlegungen spielten für mich keine Rolle. Ich wurde in der Stadt Nis geboren und wuchs dort auf. Ich fand sogar Arbeit und hatte ein relativ sorgenfreies Leben. In Nis herrschte eine Atmosphäre der Toleranz, niemand fragte nach Glauben oder Nationalität. Diese Dinge schienen keinen Einfluss auf das Vorankommen in Schule und Beruf oder auf Freundschaften zu haben. Jeder konnte sich im Rahmen seiner Fähigkeiten und Möglichkeiten entwickeln.

Auch mein Elternhaus oder meine Verwandten lenkten mich nicht von meinem Weg ab. Ich war mit Arbeit und Schule beschäftigt, und während ich bei meinen Eltern lebte, entwickelte ich mich zu einem unabhängigen jungen Menschen. Meine Eltern hatten Verständnis für meine Gedanken, und ich traf meine Entscheidungen selbständig und machte sie nicht von ihnen abhängig, obschon ich stets versuchte, gut mit meinen Eltern auszukommen. Ich bin überzeugt, dass sie nicht mit allem einverstanden waren, was ich tat; aber dies waren die Zeiten des Stalinismus und des "Titoismus", und andere Kinder spielten ihren Eltern sehr übel mit. Meine Eltern waren froh darüber, dass ich mich wenigstens zu einem engagierten Menschen entwickelte.

Ursachen für Konflikte auf dem Balkan

Was sind nun aber die Gründe, die mich auf der Balkanhalbinsel festhielten und -halten und was sind die Ursachen für die Probleme dort?

• Abwesenheit des Evangeliums

Zunächst und vor allem ist die Tatsache, dass der Balkan praktisch ohne das Evangelium ist, der Grund dafür, dass ich immer noch in Jugoslawien bin. Es gibt dort nur eine "offizielle" Kirche. Diese versteht sich selbst als Instrument zur Erhaltung der Nation, d. h. der nationalen Identität, der Integrität (territorial und ethnisch), der Tradition (historisch, kulturell und archäologisch) und der militärischen Stärke. Alles, was innerhalb der Kirche und durch sie geschieht, ist dieser Aufgabe unterworfen. Für die Erhaltung der Nation ist man nicht nur bereit, Leben zu opfern, vielmehr werden Leiden und Sterben für die Nation mit dem Leiden für den eigenen Glauben gleichgesetzt.

Dies war für mich eine Herausforderung bereits bevor ich Christ wurde. Als ich zehn Jahre alt war, kam ich mit dem Neuen Testament und den Psalmen in Berührung. Obwohl ich zwei Jahre lang Phasen des Atheismus und der Agnostik durchlebt habe, hatte Gott einen Funken des Evangeliums in mir wach gehalten. Die Menschen auf dem Balkan brauchen das Evangelium, und das Evangelium kann ihnen auch durch mich gebracht werden. Dies wurde mir besonders deutlich nach meiner Bekehrung im Jahr 1947.

• Fehlen geistlicher Erneuerung

Der zweite Grund für mein Bleiben leitet sich aus dem ersten ab: Es gab auf dem Balkan niemals eine spirituelle Erneuerung. Noch weniger kann man von irgendeiner Reformation sprechen. Der Einfluß der Reformation ist dort nicht spürbar. Ja, die Kirchen des Ostens sehen in Bewegungen wie denen von Wycliff, Jan Hus, Luther, Zwingli, Calvin und anderen Zeichen für die Korrumpiertheit des westlichen Christentums. Die Ostkirche hält es für ihren geistlichen Vorteil, dass sich seit dem neunten Jahrhundert nichts in ihr geändert hat, bis auf die Veränderungen, die ihr durch äußere Umstände aufgezwungen wurden.

Dieser Umstand stellt die evangelischen Kirchen vor ganz spezielle Herausforderungen. Wir können nicht die Gesetzgebung verändern. Wir sind nur wenige und haben geringen Einfluss auf Politik und gesellschaftliche Trends.

Was also können wir tatsächlich tun? Wir können die Menschen verändern, das heißt, wir können sie zu Gott bringen, der sie verändert. Darum kümmert sich die offizielle Kirche nicht. Dort ist das Höchste, was ein Mensch in dieser Richtung erreichen kann, Mönch oder Nonne zu werden. Selbst dann noch muss er oder sie sich den Interessen des Staates und der Politik unterwerfen, muss sie verteidigen und sogar für sie in den Krieg ziehen. Ein veränderter Mensch ist in dieser Kirche ein Mensch, der seine Individualität für eine Organisation aufgibt, der kein eigenes Recht hat, Entscheidungen zu treffen, die Angemessenheit von Entscheidungen in Frage zu stellen oder seine eigenen Handlungen zu bestimmen.

Wir reagieren auf diese Herausforderung durch das, was Gemeinde Christi ausmacht: durch Evangelisierung, Predigen, Lehren und in den meisten Fällen durch das Ablegen persönlichen Zeugnisses.

• Geschichtsmythen

Es gibt eine dritten Grund für die Probleme auf dem Balkan, und der besteht in der übergroßen Zahl historischer Mythen. Der Unterschied zwischen geschichtlicher Realität und Legende ist groß. Bisweilen wird die Vergangenheit an Ereignissen festgemacht, die nie stattgefunden haben, und dies nicht nur, wenn es um das Mittelalter geht. Selbst Ereignisse aus den Jahren 1941 bis 1950 werden uns in einer fantastischen Aufmachung präsentiert, sodass es schwer fällt zu wissen, was damals wirklich geschah. (Das erste nichtmarxistische Soziologiebuch für Oberschulen wurde in Jugoslawien im März 2001 veröffentlicht.)

Die Legendenbildung stellt uns vor mehrere Herausforderungen. Wir arbeiten hart daran, unsere Jugendlichen von Mythologie und Legendenwahn abzuhalten. Dies gilt besonders für Gläubige, die Sozialwissenschaften studieren. Wir versuchen klar zumachen, dass die Geschichte sorgfältig untersucht werden muss, und dass es notwendig ist, in den Sozialwissenschaften die Wahrheit zu suchen.

Um noch einmal zusammenzufassen:

Ich habe drei Gründe für mein Bleiben auf dem Balkan und für die Bedingungen, aus denen unsere Probleme in der Vergangenheit und der Gegenwart resultieren, angeführt: das Fehlen des Evangeliums, das Fehlen von Werten aus der Reformation und die historische Legendenbildung. Dies sind schon genügend Gründe dafür, dass auf dem Balkan traditionell ein gesellschaftliches Bewußtsein existiert, das mehr oder weniger verborgen nach Vergeltung schreit. Daher kommt es hier auch immer wieder zu Aufständen und Kriegen, wenn man sie am allerwenigsten erwartet.

Islamische Präsenz

Für das wirkliche Verständnis der Situation bedarf es der Kenntnis noch einer weiteren Ursache, die ständig neue Mythen und neuen Hass erzeugt, nämlich der Anwesenheit des Islam auf dem Balkan. Nach dem internationalen islamischen Gesetz werden die Länder der Welt in zwei Kategorien aufgeteilt: darul-islam (ein Land, in dem die Muslime an der Macht sind, wenngleich sie nicht immer die Mehrheit der Bevölkerung stellen) und dar-ul-harb (ein Land, in dem Muslime nicht an der Macht sind und wo daher Gewaltanwendung zur Herbeiführung einer islamischen Regierung zu rechnen ist).

Als die ottomanischen Türken auf den Balkan kamen, verfolgten sie diese Prinzipien. Sie mussten dabei auf Grund von Aufständen der ansässigen Bevölkerung und der Einmischung von Russland und Großbritannien immer wieder Gebiete bis nach Istanbul aufgeben. Das ottomanische Reich zerfiel nach dem Ersten Weltkrieg. Seit 1928 besteht es als laizistische Republik fort, aber die panislamischen und pantürkischen Positionen wurden nie aufgegeben. Der Wunsch nach erneuerter Autorität und nach Vorherrschaft (oder wenigstens Kontrollmöglichkeiten) existiert im Denken vieler Muslims auf dem Balkan fort. Heute ist der Islam in der Welt oftmals dafür bekannt, dass er Terrorismus und Aufruhr hervorbringt. In demokratischen Staaten nutzen Muslime die große Anzahl ihrer Anhänger und arbeiten im Untergrund , in Diktaturen machen sie sich Meinungsverschiedenheiten zu Nutze. Unter Muslimen steht jedwede Form von Nationalismus hinter dem Islam zurück, wogegen das christliche Europa sich selbst vernichtet, indem es immer neue Formen von Nationalismus erfindet.

Byzantinische Mentalität

Die heutigen Meinungen und Vorgehensweisen stammen aus geschichtlichen Mythen und aus der Geschichte selbst. Die vorherrschende Einstellung unter Politikern, Intellektuellen und den einfachen Menschen selbst entspricht einer byzantinischen Mentalität: keine Toleranz von Opposition, die Regierung entscheidet, was zu denken und zu glauben ist, und die Schuld liegt immer bei den anderen.

Weder die orthodoxe Kirche, noch der Islam noch die römisch-katho-lische Kirche dulden Opposition. In der weltlichen Politik sieht es wenig anders aus. Selbst vor 1941 gab es kein entwickeltes Vereinswesen; seit 1990 war die Existenz von politischen Parteien zwar erlaubt, sie wurden jedoch allein im Geiste des vielbegabten Tito geführt. Seit dem 5. Oktober 2000 ist eine vereinte demokratische Opposition in Jugoslawien an der Macht, aber sie ist nur vereint im Kampf gegen das alte Regime (Milosevic & Konsorten). Alles andere ist entweder traurig oder lächerlich, und ernsthafte Veränderungen werden nicht so deutlich angesprochen, wie es im Ausland erwartet wird.

Die Situation mit Montenegro ist eine ebenso traurige Ironie. Separatismus hat es auf dem Balkan stets gegeben. Byzanz löste sich vom großen römischen Reich. Kleine Gebiete mit slawischen Stämmen auf dem Balkan lösten sich von Byzanz. Auch die Griechen haben sich untereinander abgespalten. Albanische Stämme lösten sich vom byzantinischen Reich und später ebenso vom serbischen Königreich (nach dessen Zerfall im Jahr 1371). Während des 19. und 20. Jahrhunderts wurden all diese Nationen vom ottomanischen Reich und der Österreich-Ungarischen Monarchie abgetrennt: die Serben, Kroaten, Bulgaren, Griechen, Ungarn, Albaner und das Gebiet von Bosnien-Herzegowina. Tito selbst erfand die Mazedonier, Bosnier, ein eigenes Kosovo und die Vojvodina.

Separatismus als Denkweise hat in der offiziellen Kirche einen großen Rückhalt. Er ist gegen Universalität, ist an eine Nation gebunden und fordert die Trennung von anderen Völkern auf der Basis von staatlichen und ethnischen Eigenschaften. Dies ist der Grund, warum die mazedonische Kirche gegen den Willen der serbisch-orthodoxen Kirche ge-gründet wurde. Und aus genau dem gleichen Grund haben die Politiker jetzt in Montenegro eine montenegrinische orthodoxe Kirche geschaffen. Der Hang zum Separatismus ist sogar so groß, dass Muslime aus Bosnien, Herzegowina und einem Teil des westlichen Serbiens sich weigerten im islamischen Zentrum in Brüssel mit Muslimen aus anderen Teilen der Welt zusammenzuarbeiten, und auf einem eigenen Gebetshaus bestanden.

In den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens und in Albanien glaubt die Mehrheit der Bevölkerung nicht daran, dass die Autorität von Gott kommt, sondern vielmehr, dass (zumindest für ihre Unterbewußtsein) ihre "Autoritäten" an Gottes Stelle treten. Im Alltag bedeutet dies, dass die regierenden Parteien entscheiden, was die oder der Einzelne glauben und denken und wie sie oder er sich konform verhalten sollen.

Wahrnehmen des Feindes

Auf dem Balkan haben die Regierungen ihre eigenen Vorstellungen von der Welt. Der Wahrheit zum Trotz wird dieses Bild in den Medien und den Bildungsstätten verbreitet. Diesem Bild zufolge teilt sich die Welt und alles andere politisch auf in diejenigen, die "für" und diejenigen, die "gegen" die eigene Auffassung sind. Daher vermutet man überall Feinde. Feind ist ein jeder, der ihre Denk- oder Glaubensweise nicht teilt.

Aus genau diesem Grund werden hier alle evangelischen Christen seit vielen Jahren verfolgt. Für die "offizielle" Kirche sind sie Mitglieder einer Sekte oder eines Kultes. Die "offiziellen" Theologen zum Beispiel wissen wer Baptisten sind (einige ihrer Bischöfe sind Kollegen von mir an der theologischen Fakultät). Nichtsdestotrotz betrachten sie uns als "Sektierer". Wir haben keine Chance; wenn wir keinen Militärdienst leisten, untergraben wir damit die Autorität; wenn wir aber beim Militär dienen, so sind wir "eingeschleuste Spione", eine innere Bedrohung oder "verborgene Feinde" usw.

Die Menschen auf dem Balkan verschwenden viel Zeit und Energie damit, sich Feinde zu schaffen und neue dazu zu erfinden. Und dies gilt nicht nur in Bezug auf die Geschichte und die Mythen, von denen ich sprach. Auch Einzelne, Einrichtungen und ganze Gemeinschaften gehören dazu. So war in Serbien die Akademie der Wissenschaften und Künste eine Zeitlang ein erklärter Feind. Für viele Menschen saß "der Feind" in der Francuska-Straße 7 (bei der serbischen Schriftstellervereinigung). In Montenegro sehen viele die Diözese des Metropoliten als den Feind an, und in Mazedonien ist es die illegale albanische Universität in Tetovo.

Es wundert nicht, dass in Serbien, Bosnien und Kroatien folgende Einrichtungen zu den Feinden gezählt werden: die Europäische Union, der Internationale Währungsfonds, der UN-Sicherheitsrat, die Offene Gesellschaft der SOROS-Stiftung und andere, darunter die Internationale Bibel-Gesellschaft und unsere eigenen humanitären Einrichtungen Bread of Life, Tabitha, und Love Your Neighbor.

Blick in die Zukunft

Was können wir heute und morgen tun?

Erstens: Vertrauen auf Gottes Versprechen. Hier eines aus dem Alten und eines aus dem Neuen Testament:

• “Wenn du durch Wasser gehst, will ich bei dir sein, dass dich die Störme nicht ersäufen sollen; und wenn du ins Feuer gehst, sollst du nicht brennen, und die Flamme soll dich nicht versengen” (Jes. 43,2).

• “Und das sollt ihr wissen: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt” (Matth. 28,20).

Unser Glaube unterscheidet uns von der Mehrheit der Menschen, die Gottes Versprechungen vergessen haben. Durch den Glauben beein-flussen wir die Menschen um uns herum, befreien uns von Pessimismus und falschem Optimismus und davon uns auf menschliche Kräfte oder Fähigkeiten zu verlassen. Gleichermaßen zerstört unser Glaube Feindschaften und lässt er Mythen dahinsinken.

Zweitens: Wir müssen allen helfen, die sich um die Ausbreitung der Heiligen Schrift bemühen. Wir müssen nichts Neues anfangen. Es genügt, in den bereits existierenden Organisationen mitzuarbeiten: der Bibelgesellschaft, Scripture Union, A Bible for each Home, und ähnlichen. Kirchen und christliche Vereinigungen hier sind der Opposition durch die "offizielle" Kirche ausgesetzt, aber das bedeutet nicht, dass der Durchschnittsbürger nicht bereit wäre, seine Bibel in Empfang zu nehmen.

Drittens: Unsere Gebete müssen ausgerichtet werden:

• auf die Überwindung von Konflikten, wo und wann immer sie auf-tauchen;

• auf die Erfüllung von Gottes Willen, in Zeiten des Unfriedens und Streites und im Alltag;

• auf spezielle Aktivitäten, die alle evangelischen Christen einbeziehen;

• auf ein besseres und relevanteres Verständnis der Schriften, im Einklang mit dem Willen Gottes;

• auf Führungs- und herausragende Persönlichkeiten, damit sie die Menschen mit Aufrichtigkeit, Liebe und Kompetenz führen mögen;

• und auf die Überwindung von Vorurteilen, Mythen, Lügen, negativen Gefühlen und egoistischen Interessen.

Viertens: Lasst uns Abschied nehmen von gemäßigtem Predigen und vager Verkündigung. Unsere Stimme muss aufrichtig sein. Die Wahrheit kennt viele unterschiedliche Farben, aber sie ist niemals grau. Grau ist die Farbe der Zweideutigkeit, und in der Unbestimmtheit liegt weder Wahrheit noch Lüge. Obwohl die orthodoxe Kirche dazu neigt, unser Leben mystisch und bisweilen mysteriös erscheinen zu lassen, so ist es doch in Wirklichkeit einfach nur kompliziert. Wir können es vielleicht vereinfacht darstellen, aber wir dürfen ihm dabei nicht seine wirkliche Farbe nehmen. Das mag unter Umständen bedeuten, dass unsere öffentlichen Reden nicht immer angenehm sind, aber sie haben heilende Wirkung. Sie müssen gesund sein, ansonsten sollten wir überhaupt nicht predigen.

Fünftens: In allen anderen Dingen des Lebens sollten wir nach Einfachheit streben. Wenn es zwei theologische Meinungen gibt, die gleichermaßen biblisch fundiert sind, sollten wir uns für die direktere entscheiden. Wenn es zwei ethische Einstellungen gibt, die gleichermaßen biblisch und philosophisch fundiert sind, sollten wir die anspruchslosere wählen. Wenn zwei politische Lösungen angeboten werden und beide haben den gleichen ethischen Wert, so halten wir die unkompliziertere für die bessere.

( Eine Warnung! Das Gefühl für Einfachheit ist abhängig von persönlichen Vorlieben und früheren Erfahrungen. Unsere Logik kann sich dabei, wie in allen subjektiven Angelegenheiten, leicht täuschen lassen. Daher sollten wir uns an gemeinsame Erfahrungswerte halten, um zu vermeiden, dass wir in extreme Haltungen verfallen, die verletzend und bruchstückhaft sind.)

Sechstens: Verschließen wir unsere Augen nicht vor der muslimischen Welt. Auf dem Balkan waren es die orthodoxen Christen und die Muslime, die am meisten gelitten haben. Über das Leid der Muslime wird auf schreckliche Weise geschwiegen. In ihren politischen Handlungen fordern sie häufig, erlittenes Unrecht zu vergelten. Muslimisches Gedankengut steht bisweilen im Widerspruch zu dem grundlegenden Menschenrecht, dass jeder die Freiheit hat, zu glauben oder nicht zu glauben, was er möchte, und seinen Glauben zu ändern. Im Islam kann dies aber negative Konsequenzen haben; gemäß dem Gesetz der Sharia steht auf die Abwendung vom islamischen Glauben nämlich die Todesstrafe. Daher ist es wünschenswert, dass jedem vom Islam konvertierten Menschen ein Platz zur Verfügung gestellt wird, wo er außerhalb der Reichweite islamischer Regierungen und des islamischen Machtbereichs leben kann.

Dies stellt evangelische Christen vor zwei Aufgaben:

• die islamischen Völker kennen und verstehen zu lernen und

• das Wohlwollen von Muslimen zu erlangen. Dies ist sicherlich eine gewaltige Aufgabe. Es gibt keine "Sofortlösung", aber nach Lösungen muss gesucht werden. Ein Aufschieben wäre nicht im Interesse des Evangeliums.

Schlußwort

Die Balkanhalbinsel befindet sich in einer Krise. Dafür gibt es viele Gründe. Die Politiker schwingen große Reden, aber weder sie noch die Priester - leider! - verstehen (oder wollen verstehen), dass es spirituelle Gründe für die momentanen Probleme gibt. Die spirituellen Faktoren zu übersehen, ist der Hauptgrund der Probleme, und ich habe versucht zu zeigen, wie unglückselig dies ist.

Was ich hier nicht erörtern kann, sind die aktuellen Entwicklungen vor Ort. Dies ist nicht möglich, da sich alles rasant schnell verändert und außer Kontrolle geraten ist. Wir hoffen auf Stabilität, aber diese wird erst eintreten, wenn alle am Konflikt Beteiligten zugestehen, dass alle Menschen und ihre Geschicke von dem Einen abhängen, dessen Hand alle Dinge dieser Welt fügt.

Ich wünsche mir, dass die evangelischen Christen, so wie sie materielle Not lindern helfen, bei der Linderung von spirituellem Leid mithelfen werden. Möge das "Brot des Lebens" ebenso viel "Brot" sein wie "Leben".

Übersetzung aus dem Englischen: Uwe Maier

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Heilung

“Und der Herr erschien Abraham im Hain Mamre, während er an der Tür seines Zeltes sass, als der Tag am heis-sesten war. Und als er seine Augen aufhob und sah, siehe, da stunden drei Männer vor ihm. Und als er sie sah, lief er ihnen entgegen von der Tür seines Zeltes und neigte sich zur Erde und sprach: Herr, habe ich Gnade gefunden vor seinen Augen, so geh’ nicht an deinem Knecht vorüber.” (1. Mose 18,1-3)

Nach dieser Geschichte hat Andreas Rublev die Ikone der heiligen Dreieinigkeit in Russland gegen Ende des 14. Jahrhunderts zur Zeit der Mongolen-Invasionen gemalt. Rublev hat viel vom Krieg verwüstete Erde, niedergebrannte Häuser, rauchende Kirchen in Trümmern, tote, verwundete, gequälte, verschreckte Männer, Frauen und Kinder gesehen; er hat Hunger, Seuchen, Flucht und inner Zerrissenheit gekannt.

Wie konnte er danach eine Ikone mit solch vollkommener Harmonie malen? Hände, die segnen und geben und Augen, die Friede ausstrahlen?

Der Maler hat sicher selbst Tränen getrochnet und Wunden verbunden, und er hat vor allem in den leiderfüllten Gesichtern das Anlitz Gottes des Vaters und des Sohnes entdeckt, er ist Gottes behutsamer Liebe und zartfühlendem Mitleid in seinen Geschöpfen begegnet.

So war er fähig, eine Ikone zu malen, durch die der, welcher sich ihr zu öffnen vermag und vor ihr zu dem dreieinigem Gott betet, etwas vom Frieden, von der Tröstung und von der heilenden Kraft Gottes zu empfangen vermag.

Der Beter ist eingeladen, sich an dem leeren Platz vor dem Altar auf der Ikone “niederzulassen”, in Gegenwart des geopferten Lammes sein eigenes Leiden und das Leiden der ihm Anvertrauten zu durchleiden in der Geborgenheit des Kreises der Drei. So wird er Frieden empfangen, in die Bitte des Sohnes an den Vater, seinen Peinigern zu vergeben, einstimmen können und so anfangen, heil zu werden und seine innere Einheit wieder zu erlangen.

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Sektiererei oder Friedenstiften? Die Kirchen sind herausgefordert

Joe Campbell

Einführung

Ich bin kein akademischer Lehrer, kein Professor und kein Pastor. Ich komme mit der Absicht, von Ihnen und mit Ihnen zu lernen. Wir in Nordirland pflegen zu sagen: Wenn du das nordirische Problem verstehst, hast du keine Ahnung von ihm. Das erinnert an den Buchtitel “Nordirland - Ein Problem für jede Lösung“. Vergleicht man den Konflikt in Nordirland mit den Konflikten auf dem Balkan, so gibt es Ähnlichkeiten und Unterschiede. Nordirland ist viel kleiner (1,5 Millionen Einwohner), verfügt jedoch über die gesamte Dynamik, die zu einem ethnischen Konflikt führen kann.

1894 kam eine Frau auf der Arbeitssuche nach Holywood bei Belfast. Sie heiratete und bekam elf Kinder. Die Eheleute, meine Großeltern, erzogen ihre sechs Mädchen protestantisch - in der Konfession ihres Vaters - und ihre fünf Jungen katholisch - in der Konfession ihrer Mutter. Ich wuchs mit dieser konfessionsverschiedenen Familie im Hintergrund auf; das war Gottes Siegel und Fingerabdruck auf dem, was ich heute tue. Ich arbeite in politischer und sozialer Mediation. Es hat mir bei meiner Arbeit geholfen, einen breiteren Hintergrund als einen rein protestantischen zu besitzen und die Katholiken von Geist und Herzen her immer dabeihaben zu können. Ich tue diese Arbeit auch zu Ehren meiner Großeltern, die den Mut hatten, einander über die Trennung hinweg zu heiraten, und ihrer und meiner Kinder. Für mich ist diese Arbeit eine Berufung und kein Job - für viele ein wohl wesentlicher Unterschied.

Die Situation in Nordirland

Ich glaube, Menschen können sich ändern - deshalb haben wir Kirchen, deshalb unterhalten wir Schulen. Kein Konflikt ist unlösbar. In Nordirland hat es sechsundzwanzig Jahre der Gewalt gegeben und nunmehr sechs Jahre des Friedens. Der Friede ist noch zerbrechlich; er kann jeden Moment zusammenbrechen. Frieden bauen dauert mindestens so lange, wie der Konflikt gedauert hat; d.h., wenn der Konflikt dreißig Jahre währte, wird es mindestens dreißig Jahre dauern, bis das Friedenmstiften wirkt. Friedensstifter sollten die Fähigkeit besitzen, auch nach k.o. und Entmutigung irgendwie weiterzumachen.

In Nordirland geht der Streit um Fahnen, Sprache, Land und Kultur. Unsere gegenwärtige Regierung besteht aus Leuten, die sich Feindschaft ohne Ende geschworen hatten. (So ist etwa ein früherer IRA-Kommandant heute für das Erziehungswesen verantwortlich.) Das drei Jahre alte Karfreitagsabkommen benennt weder Gewinner noch Verlierer; da gibt es kein Wort einer Schuldübernahme für das, was geschehen ist. Viele haben für den Frieden einen Preis entrichtet. Einige haben nicht einmal ein Grab, das sie aufsuchen könnten. Dreitausenddreihundert Menschen wurden in einem Land umgebracht, das nur eineinhalb Millionen Einwohner hat. Das bedeutet: Jeder kannte oder kennt irgendjemand, der getötet oder schwer verletzt worden ist. Der Weg vom Konflikt zur Eintracht wird viele Jahre brauchen, und der Umstand, das das Land so klein ist, macht es umso schwieriger, diesen Weg zu bewältigen. (Es gibt z.B. frühere Strafgefangene, die in einer Kleinstadt oder in einem Dorf zwischen den Hinterbliebenen und Freunden derer leben, als deren Mörder sie überführt worden waren.)

Konflikt und Gesellschaft

Gewöhnlich macht sich ethnischer Konflikt in drei gesellschaftlichen Bereichen bemerkbar: bei denen, die Sicherheit und Polizei kontrollieren, bei denen, die für das Erziehungswesen Verantwortung tragen, und bei denen, die kulturelle Kontrolle ausüben - z.B. im Blick auf die Frage, was geflaggt wird, welche Musik läuft oder welche Sportarten ausgeübt werden.

Die moderne Vorstellung, daß Politiker und führende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sich einigen und uns dann erzählen, was wir tun sollen, funktioniert im Fall eines ethnischen Konflikts einfach nicht mehr. Im Blick auf kleine Gebiete gilt, daß an Ort und Stelle gemachte Erfahrungen von Frieden bzw. Gewalt sehr viel mehr Einfluß darauf auszuüben scheinen, was dort geschieht. Der Frieden muß an der Basis der Gesellschaft, in ihrer Mitte und im oberen Segment stattfinden. Und mir scheint, daß vermutlich die meisten der Teilnehmer dieses Seminars gebildet und aktiv sind und im Blick auf ihre soziale Gruppierung eher der Mitte der Gesellschaft angehören. Und wir alle in der Mitte haben eine lebenswichtige Rolle zu spielen, weil wir in dem Bereich, in dem wir leben, sowohl zu den gesellschaftlichen Gruppen unten wie oben Zugang haben.

Ich möchte Ihnen eine Beobachtung mitteilen, die ich zum Problem von der Minderheiten und der Mehrheiten in der Gesellschaft machte. Nord-irland spaltet sich ziemlich genau halbe-halbe: 50% Katholiken und 50% Protestanten. Es gibt andere geteilte Gesellschaften in unserer Welt, aber da die Minderheit jeweils sehr klein ist, kann sie ignoriert werden. In Kanada zum Beispiel macht die “First Nation”-Urbevölkerung nur 2% der Gesamtbevölkerung aus; das sind so wenige, daß sie beiseitegeschoben werden können und keine Bedrohung darstellen. In Neuseeland sind die Maoris ebenfalls ein so kleiner Teil der Gesellschaft - 3% oder 4% - , daß sie nicht in Betracht gezogen werden müssen. In Australien kann die ethnische Minderheiten der Aborigines zur Seite geschoben werden, weil auch sie die Stabilität der Gesellschaft nicht wirklich in Frage stellen. Das ist eben der Haken: Minderheiten kann man zur Seite schieben, aber wenn sie mehr als 20% betragen, kann man sie eigentlich nicht mehr viel weiter schieben. Das ist der Grund dafür, daß die Situation im Balkan und in Nordirland so schwierig ist. Man kann die Gegenseite nicht überwinden, ohne sich selbst zu viel Schaden anzutun.

Friedenstiften: ein außergewöhnliches - und ein teueres - Tun

Friedenstiften in einer zerspaltenen Gesellschaft ist eine bemerkenswerte Tätigkeit. Wir sollten den Leuten, die sich daran nicht beteiligen, keinen Vorwurf machen, ob sie einer Kirche angehören oder nicht. Einer der erstaunlichsten Aspekte von Nordirland während der furchtbaren Zeiten der schlimmsten Unruhen war, daß das normale Leben weiterging. Die Frauen brachten die Kinder zur Schule. Die Männer gingen zur Arbeit. Krankenhäuser und Kirchen erfüllten weiterhin ihre Aufgaben. Das Leben ging weiter - und das war sehr wichtig. Deshalb kritisiere ich niemals Leute, die sich nicht am Friedenstiften beteiligen, denn der durchschnittliche Bürger ist ein durchschnittlicher Mensch, der die üblichen Dinge tut. Friedenstiften ist außerordentlich anstrengend und deshalb vielleicht nur für wenige geeignet.

Vor 4 oder 5 Jahren war ich an der Mediation eines sehr öffentlichen Streitfalles beteiligt, der leicht hätte gewaltsam werden können und mehrere tausend Menschen betraf. Wir brachten eine Einigung zwischen den gegnerischen Parteien zustande, und gewalttätiger Aufruhr wurde vermieden. Es war eine kritische Zeit im Friedensprozess - wir hätten leicht wieder in den Zyklus der Gewalt zurückfallen können. Gewöhnlich versuchen Schlichter, sich aus den Schlagzeilen herauszuhalten, aber eine der Zeitungen, die sich mit dem Streitfall befaßt hatte, fand heraus, wer die Schlichter gewesen waren, und druckte unsere Namen und Bilder ab. Ich bekam dankbare Telefonanrufe für meinen kleinen Beitrag aus ganz Irland, aus Großbritannien und vom Kontinent. Aber meine eigene Gemeinde hüllte sich fast vollkommen in Schweigen. Denn vor fünf Jahren galt Friedenstiften in in vielen Kirchen nicht als wichtig. Ich erzähle diese Geschichte, um die Tatsache zu illustrieren, daß das Friedenstiften den Friedenstifter viel kostet. Sie dürfen nicht erwarten, daß die Leute Sie auf den Rücken klopfen und sagen: “Gut gemacht!”. Ein Friedensstifter untergräbt nämlich höchst wahrscheinlich eine Überzeugung, die man sehr lange Zeit hindurch gepflegt hatte.

Friedenstiften kostet viel. Aber Gottes Volk sollte bereit sein, den Preis zu zahlen, denn unsere Staatsangehörigkeit, unsere Fahne, sind nicht von dieser Welt. Als Gottes Kinder gehören wir dem Reich Gottes an. Wir gehen in einem anderen Tempo in eine andere Richtung, wie Paulus in seinem Brief an die Epheser (2, 14-18) schriebt::

“Er (Christus) ist unser Friede. Er vereinigte die beiden (Juden und nicht Juden) und riß durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder. Er hob das Gesetz samt seinen Geboten und Forderungen auf, um die zwei in seiner Person zu dem einen neuen Menschen zu machen. Er stiftete Frieden und versöhnte die beiden durch das Kreuz mit Gott in einem einzigen Leib (der Gemeinde). Er hat in seiner Person die Feindschaft getötet. Diese Friedensbotschaft hat Christus allen verkündet, euch, die ihe fern wart, und ebenso denen, die nahe waren. Durch ihn dürfen wir beide (Juden und Nichtjuden) in einem Geist vor Gott, den Vater, treten.”

Jesus hat uns den Auftrag der Versöhnung gegeben. Was bedeutet das im kirchlichen Zusammenhang? Was bedeutet es in einer geteilten Gesellschaft, die Bibel zu lesen? Was bedeutet es in einer geteilten Gesellschaft, als Christ zu leben? Um diese Fragen zu beantworten, möchte ich einige Tatsachen behandeln, die Auswirkungen der Gewalt in Nordirland sind.

Nordirische Wirklichkeit

Erstens ist, wie wir alle wissen, in Irland die Religion ein historisches Thema des Konfliktes, und die Kirchen waren ein Teil des Problems und sind es in vieler Hinsicht immer noch - sie sind aber auch ein unentbehrlicher Teil der Lösung.

Zweitens taten sich, sowohl vor den Unruhen als auch während der 30 Jahre der Unruhen, die wir hinter uns haben, Dutzende Friedens- und Versöhnungsinitiativen auf - von denen viele von Christen begonnen und aufrechterhalten wurden, Christen, die danach strebten, dem Ruf nach Versöhnung zu folgen, der ihrem Verständnis nach im Zentrum ihres Verständnisses des Evangeliums steht. Das Tragische daran ist aber, daß sie im Großen und Ganzen außerhalb ihrer eigenen Kirchen nach Möglichkeiten suchen mußten, genau das zu tun, was ihrer Überzeugung nach die Treue zu Jesus Christus in dieser Lage verlangt.

Drittens gibt es immer mehr Initiativen für Versöhnung und Friedenstiften, innerhalb der Kirchen oder durch sie veranlaßt. Tatsächlich tut sich da jetzt mehr als je zuvor - und eine viel größere und einfallsreichere Palette von Initiativen, als es den meisten Menschen klar ist.

Über “business as usual” hinaus

Wenn in Nordirland wieder einmal eine Bombe explodiert ist, findet man am nächsten Morgen ein Schild: “Business as usual” (“Unser Geschäft ist offen wie immer”). Das Gebäude hat vielleicht keinerlei Glas mehr und weder Wände noch Türen, aber der Tresen ist in Betrieb - “business as usual”.

Wenn die Kirchen sich an Friedensstiftung beteiligen, dann ist das aber nicht “business as usual”: es muß mehr als das sein. Aus meinen Erfahrungen mit sowohl protestantischen als auch katholischen Gemeinden habe ich gelernt, daß wir ganz ausgezeichnet “business as usual” liefern können, aber wenn es darum geht, außergewöhnliche Dinge zu tun, die Mut und Tapferkeit erfordern, das können wir wesentlich schlechter.

Oft, wenn eine Stadt oder ein Dorf unter einer Bombe gelitten hatte, pflegten die Medien anzureisen und die kirchlichen Führer zu fragen, woran es nach ihrer Meinung gelegen hatte, daß die Bombe gerade hier gelegt worden war. Die Antwort war häufig, daß sie keinen Grund wüßten, daß die Beziehungen innerhalb des Städtchens sehr gut wären und daß man sehr gut miteinander auskäme. Jedesmal, wenn ich so etwas hörte, wollte ich laut schreien, daß diese führenden Persönlichkeiten lügen, denn ich wußte und sie wußten, daß in solchen Städtchen die Leute ihre Freizeit getrennt verbrachten, daß sie in getrennte Schulen gingen, daß sie getrennt zur Kirche gingen, daß es katholische und protestantische Kneipen gab, daß es Sportarten gab, die katholisch waren, und andere Sportarten, die protestantisch waren. “Gut miteinander auskommen” bedeutete nichts anders als: sich aus dem Wege zu gehen, ohne sich offen etwas anzutun; die Leute lebten einfach in getrennten Welten.

Ich lasse hier einige Beispiele folgen von Initiativen, die die Kirchen im Laufe der letzten Jahre unternommen haben, um von der Gewalttätigkeit zum Frieden zu gelangen.

Kirchliche Friedensinitiativen

1. Innerhalb der eigenen Gemeinde

• Innerhalb der Gemeinden eines Ortes haben zu ausschlaggebenden Zeiten Gebete für den Frieden stattgefunden, und jetzt kommen des öfteren alle Gemeinden zu bestimmten Gebetszeiten zusammen.

• Manchmal wurden extra Predigten über den Frieden gehalten oder über die Pflicht, seine Feinde zu lieben, die zusätzliche Meile zu gehen, über das Verzeihen. Wir hören nur selten Predigten über das Vergeben, wie man dem anderen verzeiht, wie man die andere Wange darbietet. Das mag im Mittelpunkt unseres Glaubens stehen, aber wir hören nicht viel davon. Deshalb ist die schiere Tatsache, daß ein Geistlicher oder Priester über diese Themen predigt, schon ein Schritt vorwärts.

• ECONI: Evangelical Contribution on Northern Ireland (Freikirchlicher Beitrag zu Nordirland) - diese Gruppe wurde im Jahre 1988 innerhalb der freikirchlichen Gemeinschaft ins Leben gerufen. Ihre Mitglieder stellten die folgende Frage: “Wenn wir in den Freikirchen ein Volk der Bibel sind, was sagt uns dann die Bibel darüber, daß wir unsere Feinde lieben und mit ihnen die zusätzliche Meile gehen sollen?” Aus dieser Überlegung erwuchs eine ganze Reihe von Tagungen, Forschungsprojekten, Veröffentlichungen und Konferenzen in erster Linie innerhalb der Freikirchlichen Gemeinschaft (11% der Bevölkerung von Nordirland). ECONI ist inzwischen eine sehr einflußreiche und mächtige Organisation geworden und hat auch beträchtliche Kritik von seiten fundamentalistischerer Gruppen ausgelöst. Ich glaube aber, daß Treue dem Evangelium gegenüber durchaus die Möglichkeit einschließt, in die Schußlinie zu geraten, auch von den eigenen Leuten und das tut am meisten weh.

2. Partnerschaften

• Ein anderes Modell, das auf Gemeindeebene in die Praxis umgesetzt werden kann, war die Partnerschaft zwischen einer katholischen und einer protestantischen Gemeinde. Dabei ging es nicht um die Theologie, sondern um die soziale Wirklichkeit und eine Gelegenheit, die Leute von der anderen Seite kennenzulernen. Es gibt eine Reihe Beispiele für dies Partnerschaftsmodell: Besuche, gelegentliche gemeinsame Gottesdienste, Familien-Picknicks, gesellige Diskussion. Auch dabei bietet sich die Gelegentheit, einander kennenzulernen und die über die andere Seite existierenden Mythen zu zerstreuen. Viele möchten meinen, daß in einem kleinen Land wie Nordirland ohnehin jeder jeden kennt. Tatsächlich ist das aber nur ein oberflächlicher Kontakt, und wir wissen nicht, was die Menschen und ihre Kultur wirklich bewegt. Dies Modell der Partnerschaft gibt den Menschen Gelegenheit, sich kennenzulernen, und ist der erste Kontakt.

• Die nächste Phase einer solchen Partnerschaft könnte darin bestehen, daß eine katholische und eine presbyterianische Gemeinde nicht nur für gesellige Anlässe zusammenkommen, sondern auch schwerere Dinge zusammen angehen, indem sie sich hinsetzen und offen und ehrlich über die Gewalttaten und ihre gegenseitigen Mißverständnisse sprechen; die jungen Leute könnten in Briefwechsel treten.

• Ein weiteres Beispiel der Partnerschaft finden wir, wenn eine Gemeinde aus einer wohlhabenden Gegend sich mit einer anderen aus einer sehr schwierigen und gewalttätigen Gegend zusammentut, beispielsweise eine protestantische, wohlhabende Gemeinde mit einer katholischen Gemeinde in einer Arbeitergegend mit Problemen. So sind Partnerschaften nicht von der Geographie begrenzt. Sie haben sich als sehr nützlich dazu erwiesen, unterschiedliche Leute verstehen zu helfen, womit sich andere im alltäglichen Leben auseinandersetzen haben.

• Partnerschaften können auch zu dritt sein, beispielsweise katholische, presbyterianische und methodistische Gemeinden können Ausflüge planen, um verschiedene Stätten zu besuchen, wo Gewalttaten stattgefunden haben. Sie stehen als eine Gruppe zusammen, vielleicht an der Stelle, wo jemand auf der Straße ermordet worden ist oder wo eine Bombe gezündet wurde und mehrere Menschen getötet wurden. Solch ein Besuch könnte Monate nach dem Geschehnis stattfinden. Die Gruppe steht ruhig da, betet zusammen und legt Blumen nieder. In gewissem Maß übernimmt sie die Verantwortung für das, was geschehen ist.

• Ein anderes Ziel der Partnerschaften wäre es, den jungen Leuten Gelegenheit zu geben, sich kennenzulernen. Wenn die Jugend getrennte Schulen besucht, getrennt Sport treibt, getrennt voneinander sozialisiert wird und unterschiedliche Musik hört, dann ist es nötig, daß die jungen Menschen Zugang zueinander haben. Wir wissen aber aus Erfahrung, daß die Jugendarbeit allein, obwohl segensreich im eigenen Recht, noch keinen Frieden bringen wird. Dieselben jungen Leute gehen zurück in ihre Häuser und Stadtviertel und sind bei Eltern und Freunden allzuoft den alten sektiererischen Phrasen erneut ausgesetzt.

• Vor nicht langer Zeit veranstalteten eine katholische und zwei protestantische Gemeinden einen mit Fantasie geplanten abendlichen Gottesdienst in einem großen öffentlichen Raum, zu einer Zeit von beträchtlichen Spannungen in der Gegend. Die Veranstaltung war im vollen Wissen der Tatsache vorbereitet worden, daß es diese Spannungen um die Zeit eines besonderen Festtages für die eine Seite geben würde. Die Gemeinden hatten bekannte Persönlichkeiten zur unterstützenden Teilnahme eingeladen, und so wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf etwas viel Wesentlicheres und Zukunftsweisendes gelenkt. Die Kirche forderte die Öffentlichkeit auf, sich nicht auf Gewalt, sondern auf Jesus Christus zu konzentrieren.

3. Arbeitsmodelle innerhalb der Konfessionen

• In der presbyterianischen Kirche ist für jede Gemeinde (es gibt etwa 300) jemand zur Friedensbeauftragten ernannt worden. Diese Beauftragte kann ein Mann oder eine Frau sein und ist gewöhnlich ein Laie, kein Geistlicher. Er oder sie ist dafür verantwortlich, daß Friedensfragen im Leben der Gemeinde eine Rolle spielen - in den Jugend- und Frauengruppen, in den Predigten, im Gebetsleben der Gemeinde. Die Presbyterianer haben ihren eigenen Friedensrundbrief, der mit Gemeinden überall zum Austausch von Ideen führt.

• Als es 1994 zum Waffenstillstand kam, brachte die presbyterianische Kirche einen Friedensaufruf heraus. Jedes einzelne Mitglied bekam eine kleine Karte als Lesezeichen für die Bibel. Dies ist ein Teil dieses Friedensaufrufes: “Es ist uns klar, daß wir, wenn wir in unserer Situation in Irland christliche Friedensstifter sein wollen, die Verantwortung anerkennen müssen, die Gott der Regierung und denen gegeben hat, deren Aufgabe es ist, Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Deshalb müssen wir die Gewalt zurückweisen, Wege suchen, die der Gerechtigkeit dienen, und uns für das Wohlergehen der Notleidenden einsetzen. Wir bestätigen, daß wir, um christliche Friedensstifter zu sein, Anstöße geben müssen für Aktionsprogramme, die zum Frieden in unserem Lande beitragen werden ... “ Die presbyterianische Kirche ist keine Historische Friedenskirche, aber ich glaube, daß die meisten Historischen Friedenskirchen sich freuen würden, wenn dieser Aufruf der ihre wäre. Solch ein Friedensaufruf ist wieder ein kleiner Schritt vorwärts.

• Ein weiteres Beispiel für Friedensarbeit stammt von meiner eigenen Mediations-Organisation: während der Ausbildung unterziehen sich sämtliche angehenden Geistlichen der Presbyterianer, Methodisten, Baptisten und der Irischen Staatskirche drei Tagen Mediations-Schulung. Diese Ausbildungstage sind ein wichtiger Beitrag, wenn es darum geht, die Samen der Friedensarbeit unter den zukünftigen Geistlichen während ihrer Ausbildung auszulegen.

In Nordirland gibt es kein Modell der kirchlichen Friedensarbeit, das für alle anwendbar wäre. Es muß vor Ort entschieden werden, was am geeignetesten die jeweils vorhandene Situation ist.

Schließlich, ganz gleich wie ermutigend diese Modelle sind: selbst die besten unter ihnen haben Schwierigkeiten, “Lieschen Müller” zum Mitmachen zu bewegen. Innerhalb der einzelnen Gemeinden interessiert sich oft nur eine kleine Kerngruppe für den Frieden, weil es ansonsten “business as usual” heißt - Planen, Versammlungen, Gottesdienst - ; die Friedensarbeit ist eine zusätzliche Aufgabe, und leider fehlt die Zeit, den Frieden in ohnehin vollgepackte Terminkalender einzubauen. Aber ich bin davon überzeugt, daß in einer Konfliktsituation “business as usual” für Christen nicht ausreicht. Wenn jemand in einer zerspaltenen Gesellschaft lebt, wie ich es tue, dann muß er sich extra Mühe geben, auf die Gegenseite zuzugehen; von alleine passiert nichts. Meines Wissens beschäftigt keine Konfession in Nordirland aus eigenen Mitteln hauptamtliche Kräfte für Friedens- und Versöhnungsarbeit. Die kirchlichen Friedensarbeiter, die ich kenne, werden aus Mitteln bezahlt, die außer-halb der Gemeinde und oftmals gar außerhalb der Kirche eingeworben worden sind.

Christliches Friedensstiften als Herausforderung

Obwohl wir uns also über viele Berichte freuen und vorbildliche Arbeitsmodelle verbreiten können, so steht die Kirche dennoch vor enormen Herausforderungen. Wir brauchen eine Theologie des Friedensstiftens, um den Weg zu beschreiten fort vom Friedensstiften als einem netten Extra für die, die sich für soetwas interessieren, hin zu der Einsicht, daß, weil Gott in Jesus Christus bewiesen hat, daß die Versöhnung sein Wille und sein Weg ist, das Friedensstiften ein unabdingbarer Teil der Jüngerschaft aller Christen ist. Ich glaube, daß wir gerade erst begonnen haben, dies zu verstehen oder zu lehren oder zu leben. Ich glaube auch, daß, genauso wie eine innere Erneuerung uns dazu befreien und befähigen wird, dies zu tun, das Unternehmen einer solchen Pilgerreise zur allgemeinen Erneuerung unserer Kirchen beitragen wird.

Ich lebe in Belfast, nicht in Brisbane in Australien, nicht auf Barbados; ich bin ein Christ in Belfast und muß mich damit herumschlagen, was das hier und jetzt für mich bedeutet. Es ist keine Frage, was das für mich in irgendeiner anderen Stadt bedeutet. Ich bin mit der Frage konfrontiert, was es bedeutet, in meiner Lage Christ zu sein. Wie lese ich die Bibel in dieser Lage? Wenn die Bibel sagt: “Liebe deine Feinde”, dann heißt das nicht, daß ich meine amerikanischen Feinde lieben muß, sondern es bezieht sich auf den Feind am Ende meiner Straße oder auch nur auf der anderen Straßenseite. Darin besteht die Herausforderung.

Die Krise hier an Ort und Stelle bearteiten

Ich bin der Ansicht, daß Christen in der Friedensarbeit sich mit der augenblicklichen Krise befassen müssen, aber daß sie auch ein Auge auf die notwendige langfristige Arbeit haben müssen. Ein Beispiel dafür wäre die Krise der jungen Leute, die sich vor ihren Schulen Schlachten liefern: wenn eine protestantische und eine katholische Schule dicht beieinander sind, kommt es nach Schulschluß oft zu Straßenkämpfen. Es müßte möglich sein, die Schulen dazu zu bewegen, ihre Unterrichtszeiten so zu ändern, daß die Kinder nicht gleichzeitig Schulschluß haben und sich so nicht auf der Straße begegnen. Aber es gibt auch andere Lösungen.

Wenn der Christ sich nur auf den Konflikt zwischen den Kindern konzentriert, wäre das etwas Gutes an sich? Wenn Christen beginnen, sich darüber Gedanken zu machen, was diese Schulen daran hindert, sich näher zu kommen - die Eltern und die Schulträger sind für getrennte Schulen -, dann werden sie sehen, daß es die Gesellschaft ist, innerhalb derer die Schulen liegen, die geändert werden muß. Wenn die Stadt die Schulen getrennt haben will und der Stadtrat selbst auch gespalten ist, dann steht uns noch mehr Arbeit bevor. Es geht nicht nur um die augenblickliche Krise: es braucht Arbeit mit Tiefgang. Es ist nicht genug, mit den jungen Leuten gerade ein paar Wochen zu arbeiten; es geht nicht darum, daß es nicht gut wäre. jene Arbeit zu tun. Programme müssen entwickelt werden, die diesen jungen Leuten helfen zusammenzukommen, sich über Jahre kennenzulernen, gemeinsam in Jugendklubs außerhalb der Schule etwas zu unternehmen; wir müssen an viel langfristigeren Programmen arbeiten. Sich um die Entschärfung der Krise zu bemühen ist lobenswert, aber christliche Friedensstifter müssen sich auch mit dem Hintergrund und mit der Zukunft befassen.

Abschließend möchte ich zwei weitere Punkte erwähnen.

• Schützengrabenarbeit

Ich möchte mich zur “Schützengrabenarbeit” äußern. Wie es meiner Kollegen beschreibt, besteht die traditionelle Methode, als christlicher Friedensstifter in einem Konflikt zu arbeiten, darin, Leute beider Seiten, aus den “Schützengräben”, einzuladen, daß alle sich in der Mitte treffen. Das funktioniert aber durchaus nicht immer, denn der gefährlichste Ort im Grabenkrieg ist die Mitte. Der Christ als Friedensstifter muß selbst in die Gräben steigen. Er oder sie muß die Leute verstehen, muß ihr Vertrauen gewinnen, darf keinen anderen Beweggrund haben als den, wirklich zu verstehen und ein Vertrauensverhältnis aufzubauen. Selbstverständlich schaut der Feind aus dem anderen Graben zu, während der Friedensstifter sich im ersten Graben aufhält. Der Feind weiß, daß der Mediator dorthin gegangen ist, und glaubt vermutlich, daß er sich der anderen Partei angeschlossen hat. Der Mediator muß aus dem ersten Graben herauskommen und in den anderen klettern. Er muß die Fähigkeit besitzen, mit beiden Seiten zu sprechen und ihr Vertrauen zu haben. Als Friedensstifter geht man nicht so sehr dorthin, um Botschaften zu überbringen, sondern um die Leute kennenzulernen, um eine Vertrauensbasis aufzubauen. Die Bewohner feindlicher Schützengräben werden sich für einen interessieren, weil man von der anderen Seite kommt und den Geruch der anderen in seinen Kleidern trägt. In diesem Stadium ist der Kontakt über den Mediator so ziemlich der engste, zu dem die beiden Seiten je kommen werden. Sie wollen wissen, was für Menschen die Leute im anderen Graben sind: Was sagen sie über uns, was ist ihre nächste Bewegung?

Der christliche Friedensstifter muß die Fähigkeit besitzen, immer wieder hin und her, her und hin zu gehen. Wenn er oder sie das tut, werden sich Menschen in beiden Gräben finden, die auch den Frieden ersehnen. Nicht jeder tut es, aber hier und da wird man solche Menschen finden. Diese Schützengrabenarbeit kann sich sehr, sehr lange hinziehen. Ich weiß aber keinen anderen Weg.

• Die Bedürfnisse der Gegenseite verstehen

In Nordirland können die Kirchen ganz großartig die Bedürfnisse ihrer eigenen Seite zum Ausdruck bringen. Die Kirche muß aber vor allem die Fähigkeit besitzen, nicht nur ihren eigenen Bedürfnissen, sondern auch denen der Gegenseite Ausdruck zu verleihen. Wenn Christen das nicht zu tun vermögen, sind sie nicht die Gefolgsleute Jesu Christi.

Vor ein paar Jahren schlug ich jedes Mal, wenn protestantische Extremisten katholische Kirchen niederbrannten und extreme Katholiken dasselbe mit protestantischen Kirchen taten, einigen der führenden kirchlichen Persönlichkeiten vor, daß sie durchblicken ließen, sie würden beim nächsten Brand für den Wiederaufbau einer Kirche der Gegenseite auf-kommen. Es wurde nie öffentlich bekanntgegeben, aber das Feuerlegen hörte auf. Ich glaube, daß es derartige einfallsreiche, mutige und gelegentlich auch provozierende Schritte sind, die die Kirche gehen muß, um Frieden zubauen.

Zehn Lektionen, beim Friedensstiften in Nordirland gelernt

1. Konflikte werden von Menschen verursacht und können alle auch von Menschen gelöst werden.

2. Es bedarf einer Vielfalt der Arbeitsansätze. Friedenbauen ist wie Häuserbauen - viele verschiedene Arbeitsvorgänge gehen gleichzeitig vor sich. Man braucht verschiedene Leute für verschiedene Aufgaben.

3. Alle Teile der Gesellschaft müssen einbezogen werden: Kirche, Wirtschaft, Kultur, Erziehungswesen.

4. Arbeite, wann du arbeiten kannst. Es wird gute und schlechte Tage geben.

5. Laß dir etwas einfallen. Gib den Leuten vor Ort die Möglichkeit, Verantwortung zu übernehmen. Unterschätze niemals die Rolle und den Beitrag der Frauen.

6. Alles wird sich lange hinziehen. Friedensstifter müssen wissen, wo sie Kraft tanken können, um ein solch langes Rennen durchzuhalten.

7. Sieh dich außerhalb der betroffenen Gegend nach Unterstützung und Rat um. Andere Konflikte sind oft noch schwieriger.

8. Um des Friedens willen müssen wir Risiken eingehen.

9. Friedensstiften ist dreckige Arbeit: vieles ist ungewiß, manches wird unvollendet bleiben.

10. Bete, nimm dir Zeit für Schweigen, Gottesdienst und Nachdenken. Mehr als dein Bestes kannst du nicht tun.

“Ich habe einen Traum: In 20 Jahren werde ich ein Enkelkind haben, das das Parlament besuchen wird, und dort wird es die Abgeordneten sprechen und debattieren hören, aber nicht über Fahnen, Sprachen und Territorien, sondern über das Erziehungs- und Gesundheitswesen und die Umwelt.”

Übersetzung aus dem Englischen: Irene Auerbach und Wilfried Warneck

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Vergebung

Herr, unser Gott, Barmherziger, du hast die Verschiedenheit der Völker und Kulturen gewollt; wir meinten dem Glauben und der Wahrheit zu dienen und haben im Lauf der Jahrhundere der Unduldsamkeit und Gewalt zugestimmt, indem wir unsere Weise zu glauben und unseren Glauben auszudrücken, den anderen aufgezwungen haben. Wir rufen deine Vergebung an für alle Wunden, die wir im Verlauf der Kreuzzüge, der Religionskriege und der Kolonisierung verursacht haben. Wir haben die Würde von Menschen, Ethnien und Völkern verletzt, indem wir ihre Kulturen und religiösen Traditionen verletzt haben, indem wir der Versklavung farbiger Völker zugestimmt und so das grosse Gebot der Liebe Lügen gestraft haben.

 

O Herr, mache mich zum Werkzeug deines Friedens,

dass ich Liebe übe da, wo man sich hasst;

dass ich verzeihe da, wo man sich beleidigt;

dass ich verbinde da, wo Streit ist;

dass ich Hoffnung erwecke, wo Verzweifelung quält;

dass ich ein Licht anzünde, wo Finsternis regiert;

dass ich Freude bringe, wo der Kummer wohnt.

Herr, gewähre, dass ich eher zu tröstet suche, als getröstet zu werden;

zu verstehen, als verstanden zu werden;

zu lieben, als geliebt zu werden.

Denn durch Selbstvergessen findet man;

durch Verzeihen erlangt man Verzeihung;

durch Sterben erwacht man zum ewigen Leben.

 

Um Frieden in der Welt und um Einheit unter den Christen, dass die Kirchen ein Ort der Gemeinschaft für alle werden, bitten wir dich, Herr.

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In den Ländern des früheren Jugoslawiens dem Frieden Brücken bauen

Zvonimir Vojtulek

Was sollten Christen tun, um einen Dialog über Versöhnung und Gerechtigkeit in den Ländern des früheren Jugoslawiens zu beginnen? Wie sind die Aussichten für die Zukunft? Können Christen in diesen Ländern Friedensbrücken bauen?

Alle drei religiösen Gemeinschaften in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien haben Mitglieder, die während und nach dem Krieg Verbrechen begangen haben. Sie sehen sich selbst als Verteidiger nicht nur ihres Landes, sondern auch ihres Glaubens. Aber wenige religiöse Führer waren bisher zuzugeben bereit, daß ihre eigene religiöse Gemeinschaft zu wenig tat, zu vorsichtig war, oder sogar geholfen haben mag, nationalistische Leidenschaften zu schüren, die zu Verbrechen gegen ihre Nachbarn führten.

Wir alle wissen, daß es so etwas wie kollektive Sünde nicht gibt; alle Sünden sind persönlich! Der Krieg im früheren Jugoslawien war in seinem Wesen viel stärker religiös als die religiösen Führer zugeben wollen. Ich glaube, daß der Kreislauf von Gewalt und Gegengewalt einfach weitergehen wird, wenn nicht religiöse Führer in diesen Ländern darin vorangehen, Reue für die von ihrer eigenen religiösen Gemeinschaft begangenen Verbrechen zu bekunden.

Wie können wir weiter für Frieden und Versöhnung arbeiten?

Zunächst müssen wir erkennen, daß wahre Versöhnung nicht erreicht werden kann, ohne daß Ungerechtigkeit und Unterdrückung entgegengetreten wird. Wie wir alle aus persönlicher Erfahrung wissen, ist Versöhnung teuer, wenn eine Beziehung tief verletzt wurde. Wenn wir vergeben, “tragen” wir sozusagen die Schuld dessen, dem vergeben wurde. Das Kreuz zeigt uns, daß Versöhnung auch für Gott teuer ist. Nicht, weil Gott verlangt, daß jemand anders für die zugefügte Verletzung bezahlt. Vielmehr bietet Gott Versöhnung durch Christus an und bezahlt so den Preis für unsre Ablehnung. Außerdem geht Christus nicht als ein willenloses Opfer ans Kreuz, sondern bietet sich selbst in tiefer Hingabe an seinen Vater ganz bewußt an, um die Welt zu ver-söhnen.

Gleichzeitig müssen wir darauf achten, keine “billige” Versöhnung zu praktizieren. Ohne Gerechtigkeit und Benennung der ethnischen Ungerechtigkeiten, die sich heute auf Grund des Nationalismus in Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Serbien ereignen, kann es keine Versöhnung geben. Die Kairos-Theologen hatten recht, wenn sie billige Versöhnung kritisierten, denn Versöhnung kann nicht ohne Gerechtigkeit für die Unterdrückten erreicht werden.

Dreierlei Fundament für den Frieden

• Den Unterdrückten beistehen

Wahrscheinlich ist eines der größeren Probleme, vor dem die Kirche steht, wie sie eine neue Nation bauen helfen kann, ohne sich an destruktivem Nationalismus zu beteiligen oder angesichts irgendeiner Art von Diskriminierung, Korruption oder Tyrannei zu schweigen.

Alle religiösen Führer und Mitglieder der religiösen Gemeinschaften müssen an der Seite all derer stehen, die auf die eine oder andere Art unterdrückt bleiben (Flüchtlinge, die nicht in ihre Wohnungen zurückkehren können, Menschen, die ihre Arbeit wegen religiöser Diskriminierung verloren haben usw.) und sie in ihrem unaufhörlichen Ringen um Gerechtigkeit, Menschenwürde und Befreiung begleiten. Die Kirche muß sich in dem Bemühen engagieren, eine neue Wirtschaftsordnung herbeizuführen, die das ungerechte ökonomische Erbe politischer Führer in den Ländern des früheren Jugoslawiens beseitigen kann.

• Menschenrechte verteidigen

Die zweite Grundlage ist die Verteidigung der Menschenrechte aller Menschen, besonders aber der kulturellen und religiösen Minderheiten. Selbst wenn “radikale Christen” sowohl in der Kirche als auch in der Gesellschaft “reaktionären Christen” gegenüberstehen, haben doch alle Menschen das Recht zu leben, Gruppen zu bilden und ihre Ansichten in einer demokratischen Gesellschaft zu äußern, solange ihre Taten nicht illegal und sozial zerstörend sind.

• Das eigene Handeln kritisch beurteilen

Die dritte Grundlage für das prophetische Zeugnis kritischer Solidarität der Kirche ist die kritische Beurteilung der eigenen Taten und Gedanken. Die Botschaft der Propheten muß immer zuerst und vor allem auf die eigene Glaubensgemeinschaft angewandt werden, wenn sie überhaupt ehrlich sein soll. Das Benennen falschen Handelns muß bei der eigenen Kirche beginnen!

Wahrheitsfindung als Notwendigkeit

Ich denke, daß wir uns in Bosnien-Herzegowina - und wahrscheinlich in allen Ländern des früheren Jugoslawiens - mit der Vergangenheit beschäftigen und Wiedergutmachung für die schweren Menschenrechtsverletzungen leisten müssen, die im Namen von Befreiung, Nationalismus und Religion begangen wurden. Es ist zunehmend offensichtlich geworden, daß Versöhnung ohne Anerkennung der Wahrheit des Geschehenen und ohne Auseinandersetzung mit der Vergangenheit - in einer Weise, die die Nation heilt - keinen Bestand haben kann.

Aus diesem Grund bin ich überzeugt, daß die Länder des früheren Jugoslawiens eine Kommission ähnlich der Südafrikanischen Wahrheits- und Versöhnungs-Kommission brauchen - eine Kommission, die Fragen von Wahrheit, Versöhnung und Frieden anspricht und sich mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft beschäftigt.

Wenn man sich mit der Vergangenheit nicht angemessen und rasch auseinandersetzt, könnte sie zurückkehren und auch in Zukunft quälen. Denn wenn eine Kultur, die Menschenrechte respektiert, gefördert werden und Respekt vor dem Gesetz erreicht werden soll, dürfen die Verbrechen der Vergangenheit nicht unter den Teppich gekehrt werden. Diese Verbrechen müssen anerkannt werden, wenn verhindert werden soll, daß die Vergangenheit sich wiederholt, und - was das wichtigste ist - um das Leben der Opfer zu erneuern.

Meine Erfahrung aus meiner Arbeit in Bosnien-Herzegowina ist, daß Opfer im allgemeinen gar kein Verlangen nach Rache äußern - sie wollen, daß die Wahrheit ans Licht kommt, damit sie sinnvoll vergeben und womöglich Ent-schädigung erhalten können. Obwohl also die Erinnerung an die Vergangenheit teuer sein kann, ist es noch teurer, sich nicht in einer Art an sie zu erinnern, die zu Heilung und wahrer Versöhnung beitra-gen kann.

Über Büße und Vergebung

Das christliche Verständnis von Reue, Vergebung und Wiedergutmachung ist von fundamentaler Bedeutung, wenn es darum geht, das nationale Bewußtsein von dem zu formen, was nötig ist, um das Land zu heilen, wahre Versöhnung herbeizuführen sowie eine von Gewissenhaftigkeit geprägte demokratische Kultur zu schaffen. Die Kirchen haben - zusammen mit anderen religiösen Gemeinschaften - eine unerläßliche seelsorgerliche Rolle, eine Rolle, die wesentlich zu einer Gewährleistung dafür beitragen könnte, daß eine Wahrheits- und Versöhnungs-Kommission ihr Ziel erreicht, die Nation zu heilen. Die Kirchen sind berufen, denen zu dienen, die Verbrechen begangen haben, indem sie sie befähigen, ihre Taten zu bekennen und moralisch verantwortliche Bürger zu werden.

Und die Kirchen haben eine besondere Verantwortung gegenüber den Opfern: Ihnen zu helfen, ihre Geschichten zu erzählen und damit ihre tiefen Verletzungen und ihren Zorn zu verarbeiten. Die Heilung von Schande sowie von persönlichen und kollektiven Erinnerungen ist eine schwierige Aufgabe, aber sie ist grundlegend für den moralischen Wiederaufbau aller Länder des früheren Jugoslawiens und zentral in der Botschaft des Evangeliums.

Im Neuen Testament sind die zwei Wörter, die am häufigsten für Vergebung verwendet werden, charidzomai, ein Akt der Gnade, und aphesis, Befreiung oder Erlaß von Verpflichtungen oder Schulden. Beide Worte werden benutzt, um die Gesundung von Beziehung und die Wiederherstellung von Gemeinschaft zu beschreiben, die zum Kern von Vergebung im Neuen Testament gehören. Vergebung ist keine private Handlung zur Heilung oder Erlösung des Vergebenden, sondern ein Handeln, dessen Ziel die Wiedergewinnung des Anderen ist (siehe Mt. 18,15).

Diese neue Sicht von Vergebung die wir empfangen haben, ist weder ein vertikales noch ein horizontales Modell, sondern vielmehr ein Kreislauf von vergeben und vergeben bekommen. Es ist ein Kreislauf genau deswegen, weil es geschieht im Kreis um das Kreuz - Symbol eines vergebenden Gottes, fleischgeworden in menschlichem Schmerz und Leiden -, daß wir vergeben und Vergebung empfangen.

Vergebung, Frieden, Versöhnung, Wahrheit: Dies sind Worte, welche für die Zukunft der Länder des früheren Jugoslawiens zentral sein sollten. Christen in diesen Ländern müssen sich von einem rassistischen Nationalismus und den Lügen der Vergangenheit befreien und mit Hilfe des Friedefürsten für eine gerechte Zukunft arbeiten.

Übersetzung aus dem Englischen: Hans Jakob Galle

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Dienst

“Der grösste unter euch soll euer Diener sein. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht.” (Matth. 23, 11-12)

 

Der Gott des Friedens mache euch tüchtig in allem Guten, zu tun seinen Willen, und schaffe in uns, was ihm gefällt, durch Jesus Christus, welchem sei Ehre von Ewigkeit zu Ewigkeit.

 

Wo Unwissenheit und Gleichgültigkeit das gemeinsame Leben zerrissen haben, gib dein Licht, O Gott der Liebe.

Wo Ungerechtigkeit und Unterdrückung den Mut der Völker gebrochen haben, gib dein Licht, O Gott, der befreit.

Wo Hunger und Armut, Krankheit und Tod die Existenz zu einer

unerträglichen Last werden liessen, gib dein Licht, O Gott der Gnade.

Wo Mistrauen und Hass, Kämpfe und Kriege deine Güte infrage gestellt haben, gib dein Licht, O Gott des Friedens.

Ewiger Gott, öffne die Augen der Nationen und der Völker, damit sie im Licht deiner Liebe wandeln können; befreie sie von ihrem Unwissen und ihrem Eigensinn, damit sie an der Quelle deiner Güte trinken.

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Seminar Teilnehmerinnen und Teilnehmer

MARIJANA AJZENKOL ist Geschäftsführerin des Interreligiösen Zentrums in Belgrad. Das Zentrum bemüht sich, führende Persönlichkeiten verschiedener Glaubensgemeinschaften zum Gespräch zusammenzubringen und gute Beziehungen unter ihnen herbeizuführen. Sie ist Mitglied der katholischen Kirche.

MIRCO ANDREEV ist Pastor der Evangelischen (Pfingst-) Kirche in Skopje. Seit 1990 arbeitet er im Hilfswerk Agape mit und hilft Notleidenden in Kosovo und Mazedonien.

ANTHEA BETHGE berät kirchliche Gruppen und Institutionen bei der Entwicklung von Initiativen zur Überwindung von Gewalt. Sie ist Mitglied der Evangelischen Kirche im Rheinland und betätigt sich in Ausbildungskursen für gewaltfreie Konfliktbearbeitung und in Versöhnungsprojekten in Kroatien und Bosnien.

ALEKSANDAR BIRVIS ist baptistischer Pastor, ehemaliger Dozent des Bibelinstituts in Osijek und Gastdozent am orthodoxen Seminar in Belgrad. Darüberhinaus begleitet er als Seelsorger die Hilfsorganisation Bread of Life (Brot des Lebens). Er ist der Gründer des Jugoslawischen Vereins für religiöse Freiheit. Er ist Präsident der Baptistischen Kirche in Jugoslawien und Dekan der theologischen Fakultät in Novi Sad, Serbien.

DUSKA BOROVAC-KNABE wirkt als unabhängige Trainerin für Gewaltfreie Aktion. Sie nimmt an Seminaren teil, hauptsächlich für Kräfte des Entwicklungsdienstes und für Mitarbeitende des Zivilen Friedensdienstes in den Balkanländern. Sie hat bei folgenden Organisationen mitgearbeitet: Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee; Balkan Peace Team; Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe; Pax Christi, Deutsche Sektion (in Zenica, Bosnien-Herzegevina); Forum Ziviler Friedensdienst. Duska ist Baptistin, aber vom familiären Hintergrund her ebenso wie im Blick auf Glauben und Praxis ökumenisch eingestellt.

JOE CAMPBELL ist im Mediation Network for Northern Ireland (Mediationsnetz für Nordirland) tätig, das seinen Sitz in Belfast hat. Das Netz befaßt sich mit einer Vielzahl von Mediationsbemühungen zur Unterstützung des Friedens in Nordirland - u.a. mit Politikern, Stadt-teilorganisationen, Organisationen für öffentliche Ordnung, Polizei und Kirchen. Die im Mediation Network Engagierten meinen, daß Mediation in Nordirland hauptsächlich auf drei Wegen wirken sollte: als eine Methode der Konfliktintervention, als Instrument positiven gesellschaftlichen Wandels und als Hinweis auf eine Lebensweise für alle Bürger. Joe ist Mitglied der presbyterianischen Kirche.

HANS JAKOB GALLE ist bezüglich Friedensarbeit ein “Spätentwickler“. Einen kräftigen Anstoß dazu gab ihm die Erste Europäische Friedenskirchliche Versammlung, die Church and Peace 1986 in Braunfels durchführte. In den Jahren danach begann seine Mitarbeit in der Friedensgruppe der Mennonitengemeinde Weierhof und im Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee, zu dessen Leitungsteam er nun gehört. Das Bemühen deutscher Mennoniten, in Kroatien und Bosnien Menschen zur Seite zu stehen, die unter den Kriegen dort zu leiden hatten, führte Hans Jakob ab 1993 mehrmals in die Region.

SYLVIE GUDIN POUPAERT ist seit 1996 Koordinatorin der französisch-sprachigen Region von Church and Peace. Zur Zeit ist sie daneben von der Mennonitischen Weltkonferenz für Übersetzungs- und journalistische Aufgaben angestellt. Durch Mennonite Central Committee (MCC) sammelte sie Erfahrungen im Victim Offender Reconciliation Program - VORP (Versöhnungsprogramm für Opfer und Täter) in den USA; später wirkte sie als Verwaltungskraft der MCC-Abteilung für Friedensarbeit und zwischenkirchliche Beziehungen in Straßburg, Frankreich. Sylvie ist Mennonitin.

JANKO JEKIC ist Mitgründer des christlichen humanitären Hilfswerks Bread of Life (Brot des Lebens) und gehört zur Zeit dem Vorstand an. Bread of Life ist seit seiner Gründung im Jahr 1992 daran beteiligt, Flüchtlingen aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Kosovo Hilfe zu leisten. Janko lebt derzeit in Deutschland und organisiert Hilfsarbeit für Menschen, die nach Kroatien zurückkehren. Durch diese Arbeit hofft er zu besserem Verständnis zwischen Serben und Kroaten in dem betroffenen Teil Kroatiens beizutragen. Janko stammt aus Belgrad und ist von Herkunft Baptist.

SCHWESTER IRMTRAUD (KAMPFFMEYER), evangelisch-lutherisch, gehört der ökumenischen Kommunität von Grandchamp in der Schweiz an, deren Mitglieder aus verschiedenen aus der Reformation hervorgegangenen Kirchen sowie aus verschiedenen Ländern und Kulturen kommen. Die Kommunität führt gemeinsam ein kontemplatives Leben in monastischer Tradition, in dem die Gastfreundschaft, die Anwesenheit in der Welt und das Engagement für Gerechtigkeit, Frieden und die Bewahrung der Schöpfung wichtig sind. Die Kommunität unterstützt mit Gebet und Gastfreundschaft mehrere Personen, die ihre Lebenskraft dem Friedenstiften und der Versöhnungsarbeit zur Verfügung stellen. Die Schwestern von Grandchamp glauben, daß die Arbeit an der Versöhnung im Innern einer jeden von ihnen und zwischen ihnen Wirkungen über die Kommunität hinaus besitzt.

HARKY KLINEFELTER ist Trainer in aktiver Gewaltfreiheit und hat an mannigfachen Orten Seminare geleitet, u.a. in Bosnien, Kroatien und in den Niederlanden. Er arbeitete eng mit Martin Luther King Jr. und der Southern Christian Leadership Conference zusammen, bevor er 1972 in die Niederlande kam. Harky war fünf Jahre lang Pastor der Mennonitengemeinde Zeist; er beriet das Balkan Peace Team bis zu dessen Auflösung im Januar 2001.

WOLFGANG KRAUSS ist Mitglied der Kommunität Hausgemeinschaft Bammental und Mitarbeiter des Deutschen Mennonitischen Friedenskomitees (DMFK). Von 1992-1999 verwaltete DMFK Projekte des Friedenstiftens und des Wiederaufbaus in Bosnien-Herzegowina und in Kroatien. Heute hält DMFK Kontakt mit Kirchen und Friedensprojekten in den Balkanländern.

MERITA KULI ist Verbindungsperson von Catholic Relief Services/Caritas - CRS (Katholisches Hilfswerk/Caritas) in Skopje. CRS ist die offizielle Auslandshilfs- und Entwicklungsagentur der Katholiken der USA. CRS setzt sich ohne Rücksicht auf die ethnische oder religiöse Herkunft für Notleidende ein. Zum Auftrag von CRS gehört die Förderung des Dialogs zwischen Mitgliedern unterschiedlicher Religionen und ethnischer Gruppen durch Ausbildung in bürgerschaftlicher Verantwortung und wirtschaftlicher Entwicklung sowie durch die Unterstützung örtlicher Nichtregierungsorganisationen. Im Jahr 2000 begann CRS sein neues Programm “Gerechtigkeit und Frieden“ mit dem Ziel, interreligiöse Initiativen und interethnische Zusammenarbeit zu fördern und Trainingsmöglichkeiten für gewaltfreie Konfliktbearbeitung zu erkunden.

VESNA LIERMANN arbeitet beim Zentrum für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte in Osijek. Das Zentrum hat ein Projekt “Interreligiöse Zusammenarbeit im Friedensaufbau“ entwickelt, das mit Gemeinden und einzelnen Christen arbeitet. Dazu gehören Aktivitäten wie Kurse in gewaltfreier Konfliktbearbeitung, Workshops für Frauen über christliche Gewaltfreiheit, Friedensgebete, Veranstaltungen über Formen und Gebräuche der verschiedenen kirchlichen Traditionen, die sich auf das Thema des Friedens beziehen, und Konzerte mit geistlicher Musik während des traditionellen “Festivals der Kultur des Friedens“ in Kroatien.

GORDON MATTHEWS ist aktives Mitglied der Deutschen Jahresversammlung der Religiösen Gesellschaft der Freunde (Quäker) und dessen Friedensausschusses, des Laurentiuskonvents, des Oekumenischen Dienstes im Konziliaren Prozeß und des deutschen Zweigs des Internationalen Versöhnungsbundes. Er gehört zur Gruppe Laufdorf des Laurentiuskonvents. Vor kurzem besuchte er im Auftrag der Quäker-Hilfe, eines Ausschusses der deutschen und österreichischen Quäker, Gruppen und Projekte in Bosnien, Jugoslawien und Kroatien.

ROEL MEIHUIZEN ist Mennonit und Vorsitzender der Niederländischen Mennonitischen Arbeitsgruppe für das ehemalige Jugoslawien. Die Arbeitsgruppe ist eine gemeinsame Gründung der niederländischen Komitees für Friedens-, Hilfs- und Missionsarbeit. Sie ist seit fast zehn Jahren in humanitärer Hilfsarbeit in den Balkanländern tätig. Die Gruppe hat mit Mi Za Mir, einem exiljugoslawischen Verein, mit den deutschen Mennonitischen Hilfswerken e.V. und seit kurzem auch mit Bread of Life - besonders im bosnischen Prijedor - zusammengearbeitet.

BUKURIJE NIKQI ist Pastorin der evangelischen Gemeinde in Peja, Kosovo, mit dem Namen Jesusgemeinschaft (Bashkesia E Jezusit; keiner Konfession angeschlossen). Die Gemeinde wurde vor sieben Jahren gegründet. Zu ihrem Auftrag gehören die Gemeindegründung in einer weiteren Stadt, eine freie Gesundheitsstation, ein Waisenhaus und Englischkurse. Die Gemeinde ist dabei, eine christliche Radiostation zu eröffnen. Die Grundlage der Friedensarbeit der Jesusgemeinschaft ist der Auftrag zur Weitergabe der Guten Nachricht von Jesus Christus.

STOJADIN PAVLOVIC ist Priester der Serbisch-Orthodoxen Kirche und Vorstandsmitglied des Interreligiösen Zentrums in Belgrad.

STOJAN PETROVSKI ist Pastor der evangelischen Kirche in Kumanovo und Generalsekretär der Evangelischen Pfingstkirche in Mazedonien. Er ist in humanitärer Hilfsarbeit zugunsten von Menschen verschiedener ethnischer Herkunft tätig.

MANDA PRISING leitet seit 1996 die Organisation “Ravangrad“ in Sombor. Sie arbeitet mit Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen an der Erneuerung von Zivilgesellschaft und Frieden. Das geschieht durch Workshops, soziale und humanitäre Projekte, Gespräche über ethnische Beziehungen und Liberalisierung sowie Beschäftigung mit Fragen von Schuld und Verantwortung im Blick auf die Vergangenheit. Zusammen mit ihrer Familie und mit Freunden gründete Manda 1992 die Friedensgruppe Sombor (Somborska Mirovna Grupa), die es sich zum ersten Ziel setzte, Kommunikation zwischen vom Krieg getrennten Menschen wiederherzustellen und Seminare in gewaltfreier Konfliktbearbeitung für örtliche, regionale und landesweite Gruppierungen zu organisieren.

MARIE-NOELLE VON DER RECKE ist seit September 2000 als Generalsekretärin von Church and Peace tätig und war zuvor sechs Jahre lang Vorsitzende des Vereins. Sie ist mennonitische Theologin und Mitglied im Laurentiuskonvent. Marie-Noelle hat Theologie u.a. an den Associated Mennonite Biblical Seminaries in Elkhart (USA) studiert und an der ehemaligen Europäischen Mennonitischen Bibelschule unterrichtet.

OLAF RUHL ist ordinierter evangelischer Pastor. Zur Zeit ist er haupt-sächlich engagiert im Blick auf Gottesdienste sowie auf Dolmetscher- und Begleitungsdienste bei internationalen kirchlichen Tagungen. Olaf ist assoziiertes Mitglied der Iona Community.

BRANKA SRNEC gründete 1992 zusammen mit anderen Baptistinnen und Baptisten den Verein TABITA. Tausende von Flüchtlingen haben durch TABITA geistliche, psychologische und materielle Hilfe erhalten. Über die humanitäre Hilfe hinaus ist es das Bestreben der bei TABITA Mitarbeitenden, bei Einzelnen und ganzen Familien den Willen zum Überleben, zur Wiedereingliederung, zum Umgang mit der Vergangenheit und zur Öffnung zur Zukunft hin entwickeln zu helfen.

GUDRUN TAPPE-FREITAG ist Mitglied der Baptistischen Friedensgruppe Initiative Schalom. In Zusammenhang mit dem Oekumenischen Dienst war sie 1992 zum ersten Mal in der Balkanregion und zwar im Friedenszentrum in Osijek. Seitdem hat sie Kontakte in verschiedenen Teilen der Balkanregion entwickelt. 1997 war sie in Zusammenarbeit mit TABITA ein Jahr lang in Novi Sad.

JASMINA TOSIC ist stellvertretende Leiterin von Bread of Life in Belgrad und Mitglied der Baptistenkirche. Zur Zeit ist Bread of Life dabei, den Übergang von Nothilfe- und Überlebensprogrammen zu Entwicklungsprogrammen zu vollziehen und den Menschen die Möglichkeit zu bieten, ihr Leben neu zu begründen und zu gestalten und einen Weg in die Zukunft zu finden.

TOM VINCENT ist Programmleiter des katholischen Hilfsdienstes (CRS) in Mazedonien. In der gegenwärtigen mazedonischen Krise sorgt CRS für humanitäre Hilfe für innerhalb des Landes Vertriebene und erkundet Möglichkeiten für Gemeinwesenprojekte. Tom kommt aus den Vereinigten Staaten und hat, bevor er in die Balkanregion kam, eine Zeitlang in Indien Entwicklungsdienst geleistet.

ZVONIMIR VOJTULEK ist methodistischer Pastor und im Auftrag der Vereinigten Methodistischen Kirche in Friedens-, Versöhnungs- und Hilfsarbeit sowie Gemeindegründungen in Bosnien-Herzegowina tätig. Obgleich er seinerzeit in Norwegen lebte und dort Theologie studierte, organisierte Zvonimir während des Krieges vierunddreißig Hilfssendungen nach Mostar, die er auch persönlich auslieferte.

Übersetzung aus dem Englischen: Ursula Windsor

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Church and Peace möchte allen Einzelspendern und allen unterstützenden Institutionen danken, die dieses Seminar gefördert haben:

• Aktionsgemeinschaft Dienste für den Frieden

• Deutsches Mennonitisches Friedenskomitee

• Niederländische Mennonitische Arbeitsgruppe für das frühere

Jugoslawien

• Evangelische Kirche in Deutschland

• Evangelische Kirche im Rheinland

• Historic Peace Churches/Fellowship of Reconciliation Consultative

Committee

• Initiative Schalom

• Mennonite Central Committee Europe

• Stichting Stuw-Kracht-10

• Stiftung die Schwelle