Kirche und Frieden
Frühling 2002
In dieser Ausgabe :
-Schwerpunkt Palästina/Israel
- Reise nach Serbien, Kosovo/a und Mazedonien
- Friedensgebet in Assisi
- Bokor-Friedensmarsch
- Generalkapital der Arche-Kommunität
Und anderes mehr ...
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Keine Erfolgsgarantie...
Liebe Leserinnen und Leser,
Zum Zeitpunkt des Layouts diese Rundbriefes haben die Belagerten von Bethlehem endlich die Geburtskirche verlassen können, die einen Richtung Freiheit, die anderen Richtung Gefängnis oder Exil. Seit Monaten versuchen mehrere Kirchen, eine Vermittlerrolle zwischen der israelischen Regierung und den Palästinensern zu spielen, seit Wochen bemühen sich Kirchenführer um eine annehmbare Lösung für alle Konfliktparteien in Bethlehem.
In einem Augenblick, wo das Ende des Tunnels leider noch nicht in Sicht ist, muss man sich über diese Rolle der örtlichen Kirchen freuen, um so mehr als ihre Worte keinerlei Zweideutigkeit, sondern entschlossene Gewaltfreiheit enthalten. Bis dato waren alle Einmischungen der Kirchen vergeblich geblieben. Dieses gewaltlose Ende ist die erste Frucht dieser Bemühungen und demnach ein besonderer Anlass zu Dankbarkeit.
Die vorliegende Rundbriefausgabe hat vor allem diese Krise und die darauf gegebene Antwort der christlichen Kreise zum Thema. Sie zeigt Aktionen und Einladungen zu Aktionen auf, sowie Echos zu bereits Geschehenem und Ermutigungen zu einem noch größerem Engagement. Es gibt kein Erfolgsversprechen, doch ist der Aufruf so eindringlich, dass er nicht verkannt werden darf.
Diese Ausgabe enthält auch Nachrichten aus dem Netz von Church and Peace, sie unterstreicht unsere Kontakte in der Balkanregion, denn wir wollen den Fehler vermeiden, lediglich den großen Schlagzeilen der Zeit Aufmerksamkeit zu schenken. Wir möchten das weiterhin beachten, was zwar nicht mehr sensationsträchtig, jedoch wesentlich für die Friedensarbeit ist, wie zum Beispiel den interkonfessionellen Dialog (S. 7 und 8), die langatmige Bemühung um einen gerechten Zivildienst (S. 8), das Leben in Gemeinschaft (S.13 und 14)...
Nicht zuletzt gilt es, die Seite mit den Ankündigungen der nächsten regionalen Church and Peace - Tagungen, sowie den Meldungen zu verschieden Seminaren und Begegnungen zu beachten. Der derzeitig gültige deutsche Posttarif verlangt, dass der Inhalt unserer Briefe in jeder Ausgabe identisch sei (ob deutsch, französisch oder englisch), so dass wir ab sofort die Daten der Seminare und Begegnungen in allen Regionen veröffentlichen, statt wie bisher diejenigen, die für eine bestimmte Sprachregion relevant waren. Diese Tatsache müsste im Grunde die Beziehungen zwischen den Sprachregionen des Church and Peace - Netzes verstärken.
Allen viel Spaß beim Lesen!
Marie-Noëlle von der Recke
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Ein Zeichen der Ermutigung und der Hoffnung geben
Church & Peace nimmt an einem ökumenischen Pilgerweg für den Frieden in Israel und Palästina teil
Sowohl christliche Kirchen in Jerusalem als auch israelische und palästinensische Friedens- und Menschenrechtsgruppen hatten zu einem ökumenischen Pilgerweg für den Frieden vom 8. bis 13. April 2002 nach Israel und Palästina eingeladen. Die Organisation des Pilgerwegs lag vor allem in den Händen von Pax Christi International, des Internationalen Versöhnungsbunds (IFOR) und von Church and Peace. Der Pilgerweg sollte ein Zeichen der Solidarität, der Ermutigung und der Hoffnung mitten in der tragischen Lage des palästinensischen und des israelischen Volkes sein, jeweils gefangen im Räderwerk der Gewalt.
Letztendlich gehörten zur Delegation nur noch Bruder Paul Lansu (Pax Christi International), Hildegard Goss-Mayr (IFOR), Soeur Minke (Communauté de Grand-champ), Clemens Ronnefeldt (deutscher Zweig des Versöhnungsbundes) und Christian Renoux (französischer Zweig des Versöhnungsbundes).
Angesichts der Eskalation der Gewalt im Nah-Ost-Konflikt hatten sich die Organisatoren gezwungen gesehen, die Anzahl der TeilnehmerInnen auf 5 Personen zu begrenzen. Ursprünglich sollten 30 PilgerInnen der Delegation angehören, darunter mehrere Mitglieder von Church and Peace (Christusbruderschaft, Arche, deutsche Quäker, Laurentiuskonvent und italienischer Zweig des Versöhnungsbundes). Einige von ihnen haben sich vom 8. bis 10. April in der Kommunität Imshausen versammelt, um durch Fasten und Beten den Pilgerweg zu unterstützen (siehe Bericht unten).
Bei der Mitgliederversammlung von Church and Peace vom 26. bis 28. April hatten die Mitglieder die Gelegenheit, vom Pilgerweg zu erfahren und gemeinsam über die Möglichkeiten zu reflektieren, wie das Friedenszeugnis in der Nah-Ostregion weiter geführt werden kann.
Übersetzung: Silvia von Verschuer
Fasten und Beten zur Unterstützung der Friedenspilgerreise nach Israel/Palästina
Parallel zu der Reise von nur noch fünf Personen, die trotz der eskalierenden Gewalt am 8. April zu einem Friedenspilgerweg nach Israel/Palästina aufgebrochen waren, trafen sich in der Kommunität Imshausen sieben Personen zum Fasten und Beten.
Ihr Engagement beinhaltete einen Beitrag dazu, die Fixierung auf die Macht des Bösen zu überwinden, viele Herzen mit Gnade zu erfüllen und die Voraussetzung für Gerechtigkeit zu vermehren.
Die Gruppe verabredete, sich an jedem Donnerstagabend im Gebet für die am Nahostkonflikt leidenden Menschen zu verbinden. Sie lädt auch andere und besonders die Mitglieder und Freunde von Church and Peace dazu ein, sich diesem Gebet anzuschließen und über konkrete Gebetsanliegen wenn möglich über die Laufdorfer Geschäftsstelle zu vernetzen. (Ernst von der Recke)
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“Please come! We can’t wait anymore!”
Ökumenische Begleitprogramm in Palästina und Israel
Vor dem Hintergrund einer weiteren Verschlechterung der Situation im Konflikt zwischen Israel und Palästina trafen sich am 1. und 2. Februar in Genf Vertreterinnen und Vertreter von etwa vierzig kirchlichen und kirchennahen Organisationen, um sich über Umfang und Rahmen eines Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel (EAPPI) zu einigen.
Ein Ruf nach ökumenischer Aktion
Vertreterinnen und Vertreter von Kirchen und Friedensnetzen in Jerusalem und in den besetzten palästinensischen Territorien haben die Kirchen rund um die Erde wiederholt aufgerufen, über die Abfassung von Erkläeungen hinauszugelangen und in Solidarität mit den Kirchen der Region in Aktion zu treten, um mit ihnen im Lande selbst sowie auf internationaler Ebene Anstrengungen mit dem Ziel dauerhaften Friedens, gepaart mit Gerechtigkeit, in Gang zu setzen.
Erzbischof Aristarchos von Constantina, Vertreter S.H. Irineos I., des griechisch-orthodoxen Patriarchen von Jerusalem, betonte, Christen müßten ihren Auftrag als Friedensstifter wahrnehmen: “Als Christen sind wir Friedensstifter, wie Christus es gesagt hat, und wir versuchen, zwischen Israel und Palästina Brücken zu bauen, so daß die beiden Seiten auf dem Verhandlungsweg zu einer Lösung gelangen, die ihre friedliche Koexistenz und die Minderheiten-Rechte der Christen in ihrem Bereich garantieren.“
Salpy Eskidjian, Programmreferentin im ÖRK-Team für internationale Beziehungen, erläuterte, daß die am Programm Beteiligten eine ganze Reihe von Aufgaben wahrnehmen können, etwa die Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte, Advocacy-Arbeit und die Unterstützung des gewaltfreien Widerstands örtlicher palästinensischer und israelischer Friedensgruppen. Das Programm soll nicht nur internationale ökumenische Präsenz in Ortschaften betreffen, die mit Gewalt konfrontiert sind, sondern auch Bewußtseins- und Interpretationsarbeit in den Herkunftsländern der Teilnehmenden. Reverend Gustaf Odquist, Repräsentant von Bischof Munib Yunan von der Evangelisch-lutherischen Kirche von Jordanien und Palästina, stellte einen engen Zusammenhang zwischen beiden Aufgaben, Präsenz und Für-sprache, fest und lud mit den Worten ein: “Kommt und seht, was geschieht, und dann berichtet zu Hause darüber.“
Der südafrikanische Pastor Daniel Ngubane sprach aus seiner Erfahrung im KwaZulu Natal-Friedenskomitee in der Zeit des Anti-Apartheid-Kampfes in seinem Land. Sein Eindruck ist: “Wir haben einen Kairos im Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern erreicht. Eine Lösung wird jetzt erreicht oder nie mehr.“
Eine wachsende gewaltfreie Bewegung
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens im Februar stellten fest, daß die kleine, aber wachsende gewaltfreie Bewegung im Konfliktgebiet der Unterstützung bedarf. Ein Mitbegründer des International Solidarity Movement, Ghassan Andoni vom Palestinian Centre for Rapprochement, Mitglied des vom Ökumenischen Rat ins Leben gerufenen Netzes “Frieden für die Stadt“, erinnerte an die Demonstration, die am 25. Dezember 2000 versuchte, durch den Hauptkontrollpunkt von Bethlehem nach Jerusalem zu gelangen. Außer internationalen Unterstützern nahmen dreißig Palästinenser teil. Ein Jahr später beteiligten sich an einer zweiten Demonstration siebenhundert Palästinenserinnen und Palästinenser. Einige Tage darauf, am 31. Dezember 2001, waren es dreitausend. “Der Unterschied“, bemerkte Andoni, bestand darin, daß bei der letzten Demonstration die leitenden Persönlichkeiten der Kirchen anwesend waren. Die Leute geraten leicht in Panik, wenn sie israelischen Soldaten von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen sollen. Wir müssen ihnen das Bewußtsein verschaffen, sicher und wohlbehalten zu sein. Die Kirchenführer verschaffen diesen Eindruck von Sicherheit.“
Ausländische Kirchen und Friedensorganisationen haben sich in verschiedenen Formen des Beobachtens und Begleitens engagiert. Christian Peacemaker Teams, eines der Modelle, auf denen EAPPI aufbaut, hat ein in Hebron stationiertes Team seit 1995. CPT ist ein Programm der amerikanischen mennonitischen Kirchen, der Church of the Brethren, des quäkerischen Friends United Meeting und anderer christlicher Gruppen und verfügt über eine weltweite Erfahrung darin, wie ein gewaltfreies Zeugnis für Frieden mit Gerechtigkeit gegeben werden kann. Bei der Arbeit am Rahmen des Programms orientierten sich die in Genf Versammelten auch an weiteren Modellen, z. B. Peace Brigades International oder dem Programm internationaler Solidarität und ökumenischer Beobachtung in Südafrika sowie gegenwärtigen Anstrengungen, die YMCA und YWCA, dänische, schwedische und amerikanische Kirchen und Organisationen unternehmen.
Ökumenischer Rat der Kirchen Kommunikationsabteilung, PR-02-06 u. Up-02-02, 11. Februar 2002
Übersetzung: Wilfried Warneck
Aufgabe des Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel ist "die Begleitung von Palästinensern und Israelis in ihren gewaltlosen Aktionen und ihrer gemeinsamen Fürsprache für eine Beendigung der Besetzung". Dazu gehören:
• Überwachung der Einhaltung der Menschenrechte und Berichterstattung über Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts
• Schutzgewährung durch gewaltlose Präsenz
• Unterstützung gewaltlosen Widerstands an der Seite christlicher und muslimischer palästinensischer und israelischer Friedensgruppen
• Eintreten für politische Veränderungen
Ziele des Programms sind:
• die Gewalt der Besetzung sichtbar machen
• die Brutalitäten, Erniedrigungen und Gewalttaten gegen Zivilisten beenden
• ein stärkeres internationales Fürsprachenetz knüpfen
• für die Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts sorgen
• die öffentliche Meinung in den Heimatländern beeinflussen und Einfluss auf die Aussenpolitik in Bezug auf den Nahen Osten nehmen mit dem Ziel, die Besetzung zu beenden und einen tragfähigen palästinensischen Staat aufzubauen
• Solidarität mit palästinensischen und israelischen Friedensgruppen zum Ausdruck bringen und örtliche palästinensische Gemeinschaften/Kirchen stärken
• aktive Zeugen dafür sein, dass alternatives, gewaltloses Eintreten für Gerechtigkeit und Frieden zur Beendigung der rechtswidrigen Besetzung Palästinas möglich ist
Das Programm steht Kirchen und ökumenischen Organisationen in der ökumenischen Bewegung offen.
ÖRK-Kommunikationsabteilung, PR-02-06 u. Up-02-02, 11. Februar 2002
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Ökumenischer Friedensdienst für Palästina und Israel
(Bonn, 17.03.2002) Fünf kirchliche Organisationen haben einen Ökumenischen Friedensdienst in Palästina und Israel (ÖFPI) ins Leben gerufen, dazu zählen der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) und Brot für die Welt sowie die katholische Organisation Pax Christi, das Evangelische Missionswerk in Südwestdeutschland (EMS) und das Evangelische Missionswerk in Deutschland (EMW). Bei einem Treffen am 12. März in Bonn haben die fünf Einrichtungen beschlossen, eine Gruppe von ökumenischen “Begleitern” in die Konflikt-region zu entsenden. Sie sollen dort gemeinsam mit ökumenischen Begleitern aus anderen Ländern gewaltfreie Friedensinitiativen und -aktionen unterstützen, die das Ziel haben, die Besatzung der palästinensischen Gebiete zu beenden. Eine weitere wichtige Aufgabe soll sein, über Menschenrechtsverletzungen und Verstöße gegen internationales Recht zu berichten.
Die evangelischen und katholischen Organisationen betei-ligen sich damit an dem Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel (EAPPI) des Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf, der im Rahmen der Dekade zur Überwindung von Gewalt den israelisch-palästinensischen Konflikt in diesem Jahr zum Schwerpunkt seiner Arbeit gemacht hat.
Die Mitarbeitenden des Friedensdienstes werden zwischen drei und zwölf Monate bei Kirchen und Menschenrechtsorganisationen mitarbeiten. Geplant ist, dass im Juni die ersten ökumenischen Begleiter ausreisen können. Die fünf Organisationen folgen mit ihrer Initiative dem Ruf der palästinensischen Kirchen, nicht länger nur Erklärungen abzugeben, sondern Schritte konkreter Solidarität zu unternehmen.
Evangelischer Entwicklungsdienst e.V. (EED)
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Wiederbegegnung von Friedensstiftern aus dem Nahen Osten in Jordanien
Randal Nickel
Amman/Jordanien. - Wenn ich hier im Nahen Osten die Nachrichten sehe, komme ich leicht zu dem Schluss, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Jeden Tag werden Menschen mit Bomben angegriffen und Millionen haben Angst vor Angriffen.
Aber bei einem Treffen hier in Amman war ich kürzlich mitten unter Menschen, die entschlossen sind, sich für den Frieden einzusetzen. Bei der Begegnung kamen Personen aus dem Nahen Osten zusammen, die in der Vergangenheit die Sommerkurse in Friedensarbeit (“Summer Peacebuilding Institute“, SPI) der Eastern Mennonite University in Harrisonburg/Virginia (USA) besucht hatten. Zwar erschweren Finanzprobleme und Reisebeschränkungen ein Zusammentreffen als regionale Gruppe, aber dennoch kamen Anfang Januar zwanzig Personen in Amman zu einem Erfahrungsaustausch und zur Planung der künftigen Zusammenarbeit zusammen.
Mich beeindruckte die Fähigkeit dieser Friedensstifter/innen aus dem Nahen Osten, inmitten von extremer Gewalt und wirtschaftlichem Niedergang weiterzuarbeiten und an der Hoffnung festzuhalten. Die Gruppe schilderte die Lage in Bethlehem, wo die Menschen Schwierigkeiten hatten, Christi Geburt an seinem Geburtsort zu feiern. Die im Vorjahr für den zur Jahrtausendfeier erwarteten Touristenansturm errichteten Hotels stehen leer, von Granaten und Kugeln beschädigt.
“Hoffnung als Friedensstifterin schöpfe ich, wenn ich meine Freunde und Freundinnen ansehe, die am SPI-Programm teilgenommen haben, und feststelle, dass sie sich wirklich engagiert für den Frieden einsetzen“, sagt Lourdes Habash, eine palästinensische Teilnehmerin. Ihr Wunsch ist, dass die nächste palästinensische Generation in einer anderen, friedlicheren Atmosphäre leben kann, aber sie sagt auch, dass es dazu nicht kommen wird, wenn sich niemand für den Frieden einsetzt.
Für die palästinensischen Teilnehmer/innen war die Reise nach Amman gespickt mit Unwägbarkeiten. Es war vorab überhaupt nicht abzusehen, ob die Israelis ihnen die Überquerung der Brücke vom Westjordanland nach Jordanien gestatten würden. Diese Unsicherheit illustriert die Schwierigkeiten, vor denen die meisten Palästinenser/innen im Westjordanland und im Gazastreifen stehen, wenn sie irgendwohin fahren wollen. Einige der Teilnehmer/innen haben ihre Arbeit verloren, weil sie nicht an ihren Arbeitsplatz gelangen können.
Das Leben in einer Nachkriegsgesellschaft wie im Libanon bringt ebenfalls Schwierigkeiten und Chancen mit sich. Seit vielen Jahren und noch bis heute werden Menschen, die sich für den Frieden einsetzen, misstrauisch beäugt. Armen Balian vom “Lebanon Conflict Resolution Network“ sagt, seine Hoffnung gründe sich auf die Beobachtung, dass “die Menschen die Gewalt satt haben und bereit sind, Alternativen zur Gewalt zu erproben“.
Viele Teilnehmer/innen sagen, dass ihr Glaube es ihnen ermöglicht, weiterzumachen. Saliba Taweel und Zoughbi Zoughbi erklären, dass “der Glaube uns Hoffnung gibt und uns ermutigt, in diesem Bereich zu arbeiten“. Sie erwähnen auch die Präsenz “prophetischer Stimmen“ wie der des MCC und anderer Akteure, die ihnen geholfen haben, ihr Engagement für die Friedensarbeit zu erneuern.
Fadi Abi Allam fasst die Einstellung der Gruppe zusammen. “Mein Glaube an Gott bewegt mich dazu, für die Aufgabe des Friedens zu arbeiten“, sagt er. “Wenn wir an Gott glauben, ist nichts unmöglich.“
Randal Nickel ist einer der Länderdirektoren von MCC Libanon.
MCC-Pressedienst, 25. Januar 2002
Übersetzung: Corinna Friesen
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Blut, Schweiss und Tränen
Dianne Roe, Christian Peacemaker Teams
“Damm, damm, damm.”
Diese Worte hörte ich vom Podium. Das waren keine englischen Fluchworte. Sie sprach hebräisch an einer Sonnabend-Peace Now (Frieden Jetzt)- Demonstration in Jerusalem.
“Blut, Blut und noch mehr Blut”, übersetzte Harriet, als sie mit mir in einer Versammlung von mehr als tausend Israelis und Internationalen in West-Jerusalem stand. Ich kannte das Wort schon. “Damm” (ausgesprochen mit einem breiten 'a') ist das arabische Wort fur Blut. Ob in Arabisch oder Hebräisch, ich habe es hier schon viel zu oft gehört. “Was hat Sharon erwartet, als er ein Flüchtlingslager angegriffen hat?” übersetzte Harriet weiter.
“Blut, Blut und noch mehr Blut.” Damm, damm, damm.
In der kurzen Stille vor den Reden weinte eine Frau in meiner Nähe leise vor sich hin. Köpfe waren geneigt. Die Nachricht vom letzten Selbstmordattentat in West-Jerusalem vor einer halben Stunde verband sich im kollektiven Bewusstsein mit der Nachricht von Israels Angriff auf die 20,000 Einwohner des Flüchtlingslagers Balata.
Janet Shoemaker, Nathan Bender, Sue Rhodes, Bret Davis von den Christian Peacemaker Teams (Christliche Friedensstifter-Teams) und ich schwiegen mit. Ich stand nahe bei Harriet, unserer israelischen Freundin, die vor fünf Jahren während der Fastenzeit bei uns gewesen war. Aya, eine andere israelische Freundin, schloss sich uns am Ende der Demonstration auf dem Weg zu unseren Bussen zum Makassed Krankenhaus am Ölberg an. Dort standen mehr als hundert Israelis Schlange, um Blut für Verwundete in den Flüchtlingslagern Balata und Jenin im Norden zu spenden.
Ich hatte Aya früher am Tag beim Wegräumen von Hausschutt an einer von Israelis im vorigen September zerstörten Baustelle getroffen. Ich rief sie am nächsten Tag an, um von ihr zu hören, wie sie sich nach diesem intensiven Tag im Süden fühlte: Freiwilligendienst, Teilnahme an der Peace Now-Demonstration, die Nachricht vom Selbstmordattentat und danach die Blutspende für Palästinenser im Norden.
Rührung übermannte sie. Sie sagte, dass selbst der Dolmetscher die Tränen kaum zuruckhalten konnte, als er den israelischen Blutspendern die Dankbarkeit der Palästinenser im Krankenhaus übermitteilte.
Viel Blut war vorige Woche vergossen worden. Aber am Samstagabend wurde Blut geschenkt - teils von ehemaligen Soldaten, die Militardienst verweigert haben. Dieses Blut wird Leben wiederherstellen, anstatt es zu zerstören. Lasst uns mit Dankbarkeit für jene Israeli und Palästinenser beten, die ihr Blut so frei miteinander teilen. Lasst uns miteinander tätig sein, Kriegsschaden zu reparieren, indem wir Blut, Schweiss und Tränen teilen. Mögen diese Liebestaten andauern, mögen sie zahlreich sein.
Übersetzung: Ursula Windsor
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WELTSPIEGEL
• Überlegungen zur pazifistichten Antwort auf Terrorakte
Tony Kempster
Seit dem Frühherbst 2001 werden Gedanken und Aktivitäten von den tragischen Ereignissen des 11. September und ihren Folgen beherrscht. Die Anglican Pacifist Fellowship (APF=Anglikanische Friedensgesellschaft) war bei der Kampagne gegen die US-amerikanische Bombardierung aktiv und beteiligte sich von Anfang an am Netzwerk der Friedensgruppen, die sich mit der Bedrohung des Friedens befassen (wörtlich: "Network for Peace Crisis Response Groups" - es umfasst die wichtigsten Friedensorganisationen). Dadurch konnte die APF an der Planung von Kampagnen gegen die Bombardierung von Afghanistan teilnehmen und Schritt halten mit den Veranstaltungen, die von der größeren Koalition gegen den Krieg organisiert wurden. Mitglieder der APF nahmen an Demonstrationen und Mahnwachen in London und in anderen Teilen des Landes teil.
Seit September hat der Sekretär der APF auf mehreren Treffen über die pazifistische Antwort auf Terrorakte gesprochen. Kempster bemerkt, dass "man wirklich neue internationale diplomatische, kulturelle und wirtschaftliche Strategien benötigt, um dem Terrorismus den Nährboden zu entziehen, dass man aber, obwohl die APF eindeutig den modernen Krieg verurteilt, bekennen muss, dass es manchmal schwierig ist, den richtigen Standpunkt zu finden in der Beurteilung von Sofortmaßnahmen der Regierung, die zur Gewährleistung von Sicherheit erfolgten. Es gibt eine Grauzone zwischen Polizeiaktion und dem Gebrauch von militärischer Gewalt als Antwort auf die unmittelbare Bedrohung durch groß angelegte terroristische Attacken."
Schließlich ist es notwendig, die Weltsituation insgesamt zu betrachten und die Stimme gegen reale und strukturelle Gewalt zu erheben, die zum Entstehen eines solchen Terrorismus beitrugen. Gewalt kann im besten Fall eine Atempause bewirken, bis eine gerechtere und moralische Ordnung geschaffen werden kann.
Außerdem glaubt Kempster, dass der Kampf gegen den apokalyptischen Terrorismus mit der Entschiedenheit gepaart sein sollte, ihm jegliche religiöse Legitimation abzusprechen. Das versucht man am besten auf der Basis des Glaubens und daher unter der Schirmherrschaft der Glaubensgemeinschaften. Die Glaubensgemeinschaften müssen ihren Teil dazu beitragen, indem sie geistliche Strategien empfehlen, die von allen großen Glaubensrichtungen zur Festigung des Friedens entwickelt wurden. Hierin liegt die Schlüsselrolle für christliche Pazifisten bei der Arbeit innerhalb ihrer eigenen Kirchen.
Tony Kempster ist Generalsekretär der Anglikanischen Friedensgesellschaft, eines korporativen Mitglieds von Church and Peace.
Aus "The Anglican Peacemaker", Februar 2002
Übersetzung: Ruthild Foth
• Friedensgebet in Assisi
Ferne Burkhardt
Religion sollte nie missbraucht werden, um Gewalt, Krieg oder Terrorismus irgendeiner Regierung oder Gruppe in der aktuellen feindlich gesinnten Weltlage zu rechtfertigen. Vielmehr sollten sich alle Religionen zusammen der Gerechtigkeit und dem Frieden verpflichten. Diese feste Überzeugung brachte Papst Johannes Paul II dazu, Vertreter der Weltreligionen zu einem Friedens-gebet am 24. 01.2002 nach Assisi, Italien, einzuladen.
Die päpstliche Einladung zum Tag des Gebets für den Frieden in der Welt erging an die Oberhäupter christlicher Konfessionen von orthodox bis evangelikal und an die Quäker sowie an Vertreter des jüdischen und muslimischen Glaubens und mehrerer fernöstlicher Religionen.
Bei der Schlussmesse verkündete Papst Johannes Paul II, das Oberhaupt der weltweiten katholischen Kirche: “Nie wieder Gewalt! Nie wieder Krieg! Nie wieder Terrorismus! In Gottes Namen mögen alle Religionen Gerechtigkeit, Frieden, Vergebung, Leben und Liebe auf Erden bringen.”
Der Gebetstag begann mit einer zweistündigen Zugfahrt von Rom nach Assisi. Die erste Sitzungsrunde konzentrierte sich auf “Zeugnisse für den Frieden” von christlichen Teilnehmern sowie Teilnehmern anderer Religionen. Die zweite Runde war dem Gebet gewidmet, wo christliche Gruppen und Anhänger anderer Religionen an getrennten Orten in der Stadt beteten.
Mennonitische Weltkonferenz, 4. Februar 2002
Übersetzung: Carmen Epp
Beim interreligiösen Gebetstreffen haben Delegierte aus 12 Weltreligionen und 31 christlichen Kirchen und Gemeinschaften den “Assisi-Dekalog” herausgegeben mit 10 friedens- und dialogfördernden Maßnahmen, zu denen sie sich verpflichtet haben.
Church and Peace hat einen Aufruf unterschrieben, der von seinem Mitglied Movimento italiano della Riconciliazione (Italienischer Versöhnungsbund) und dem Movimento Italiano dell'Arca vorbereitet wurde und zu einer internationalen Versammlung für Frieden und Gewaltfreiheit aufruft. (Weitere Infomationen: Maria Antonietta Malleo, Tel/Fax: +39 91 302484, Email: [email protected])
• Internationaler mennonitisch-katholischer Dialog geht weiter
Ferne Burkhardt
Assisi, Italien. Das vierte Treffen im Rahmen des internationalen mennonitisch-katholischen Dialoges fand vom 27.11. bis 3.12.2001 in Assisi, Italien, statt. Der Dialog wird von der Mennonitischen Weltkonferenz (Straflburg) und dem Päpstlichen Rat zur Förderung der Einheit der Christen (Vatikan) gefördert. Er hat 1998 begonnen und sieht zunächst fünf jährliche Treffen sowie die anschlieflende Herausgabe eines Berichtes vor.
Ziel des Dialoges ist es, zu einem besseren Verständnis der jeweils anderen Position in Glaubensfragen zu ver-helfen sowie Vorurteile und noch aus dem 16. Jahrhundert stammende Verletzungen zwischen Mennoniten und Katholiken zu überwinden.
Im Schlussbericht sollen u.a. die Natur der Kirche, die gemeinsame Verpflichtung zum Frieden und mit der Heilung der Erinnerungen verbundene Themen ange-sprochen werden. Das fünfte Treffen ist für Oktober 2002 geplant.
Gemeinsame Presseerklärung der Mennonitischen Weltkon-ferenz und des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen, 28. Januar 2002
Übersetzung: Carmen Epp
• Zivildienst leisten in der Schweiz - ein immer noch mühsamer Weg
Bruno Sägesser-Rich
Zivildienst leisten ist in der Schweiz zwar möglich, aber der Weg dahin ist mühsam und voller Stolpersteine:
Seit 1996 muss jeder zivildienstwillige Schweizer einen Lebenslauf und eine mindestens dreiseitige Begründung einreichen, in der er erklärt, warum ihm sein Gewissen das Leisten des Militärdienstes verbietet. Einige Monate später wird in einer einstündigen Anhörung (Gewissens-prüfung) vor drei Personen abgeklärt, ob diese Gewissensgründe genügend erkennbar sind und die Zulassung zum 1,5 mal längeren Zivildienst bewilligt wird. Etwa 80% der Männer, die diesen beschwerlichen Weg zu gehen versuchen, werden zum Zivildienst zugelassen.
Im Dezember 2001 wurde ein Militärverweigerer zu 5 Monaten Gefängnis verurteilt. Er wäre bereit gewesen Zivildienst zu leisten, bestand aber die Gewissensprüfung nicht. Während seiner Gefängniszeit trat er in einen Hungerstreik, den er nach 40 Tagen, an Ostern 2002, abbrach. Das Schweizerische Zivildienstkomitee, in dem auch Mennoniten mitarbeiten, begleitete diesen jungen Mann und mobilisierte durch Pressekonferenzen, Standaktionen, Informationsbriefe Leute im In- und Ausland. Mehr als 15.000 Unterschriften wurden gesammelt und die Behörden aufgefordert, die Gewissensprüfung abzuschaffen. Mitte März 2002 beschloss nun der Nationalrat mit 98 zu 63 Stimmen, nicht über Änderungen des Zivildienstgesetzes zu beraten. Eine Kommission müsse zuerst Vorschlage für ein ,,Tatbeweismodell, möglichst ohne Gewissensprüfung", erarbeiten. Dies sieht nach einem Erfolg aus. Leider stimmten auch diverse Konservative mit, die überhaupt keine Änderung resp. Verbesserung wollen. Von daher besteht die Gefahr, dass sich gar nichts bewegt!
Durch das Schweizerische Zivildienstkomitee wird nun weitere Informationsarbeit geleistet werden müssen, damit die Bevölkerung weiß, um was es geht. Anlässlich der Unterschriftensammlung wurde deutlich, dass im Volk oft die Meinung besteht, das Zivildienstproblem der Schweiz sei seit 1996 gelost. Auch Lobbyarbeit an den ParlamentarierInnen wird organisiert.
Das Ziel ist, die Gewissensprüfung abzuschaffen. Denjenigen Männern, die bereit sind, einen etwas längeren Zivildienst zu leisten, sollte dies einfacher möglich sein. Noch vieles ist unklar. Es braucht weiterhin Weisheit und viel Geduld.
Bruno ist Kriegsdienstverweigerer, Mennonit und Mitglied im Church and Peace-Vorstand. Als Mitglied des Schweizerischen Mennonitischen Friedenskomitees hat er sich an der Kampagne für die Einrichtung eines Zivildienstes in der Schweiz beteiligt. Gegenwärtig berät er junge Männer, die aus Gewissensgründen den Kriegsdienst verweigern.
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“Wo war die Kirche?”
Balkanreisebericht, 2. Teil
Marie-Noëlle von der Recke
In unserem letzten Rundbrief hatten wir Reiseeindrücke aus Besuchen in der Vojvodina und in Kroatien wiedergegeben. Während einer zweiten Reise im März 2002 konnten wir Freunde von Church and Peace in Serbien, Mazedonien und im Kosovo treffen. Wieder fuhren wir zu zweit, diesmal begleitete mich Margrit Kruber Arnold, die an unseren beiden letzten internationalen Tagungen teilgenommen hat und Einzelmitglied bei Church and Peace ist. Stationen auf dieser Reise waren Belgrad, Kumanovo, Skopje, Pecs/Peija, Decani, Pristina, Mitrovica und wieder Belgrad. Sozusagen eine Rundreise, auf der wir einige Aspekte der Friedensarbeit in jedem der durchfahrenen Länder sowie die jeweiligen Überlegungen zu den verschiedenen Themen wahrnehmen konnten, mit denen sich die Kirchen in jedem einzelnen Kontext beschäftigen.
Während unserer Reise hatten wir Kontakt mit :
• Bread of Life, Belgrader Hilfswerk (vgl. Bericht von Hans Jakob und Renate Galle)
• dem Zentrum für interreligiösen Dialog in Belgrad
• “Vertrauen“, einer Organisation mit gewaltfreiem Ansatz für psychosoziale Entwicklung bei den Ärmsten und den Flüchtlingen in der Region Kumanovo
• einem Hilfswerk für alleinerziehende Mütter in Kumanovo
• Agape, einem Hilfswerk der evangelischen Kirchen in Mazedonien
• der Caritas in Mazedonien und Ceres, einem amerikanischen katholischen Hilfswerk, das in Mazedonien tätig ist
• Nehemia, einem Evangelisations-Hilfswerk
• mehreren Verantwortlichen und Stellvertretern von Gemeinden und Kirchen aller Konfessionen: mit dem Mufti und dem Rabbi von Belgrad, mit orthodoxen Geistlichen (leider konnten wir Bischof Lavrentje und Vater Sava vom Kloster Decani nicht wie erhofft treffen), mit je mehreren Predigern und Predigerinnen der evangelischen, pfingstlerischen und methodistischen Kirche.
Etliche Eindrücke der Reise nach Kroatien und in die Vojvodina haben sich während dieser zweiten Reise bestätigt.
Die Mehrheit der Personen und Projekte, die wir besucht haben, sind der lebendige Beweis dafür, dass die Medien meistens lediglich eine Seite der Wirklichkeit wiedergeben, dass sie sich gerne darauf beschränken, die triste und deprimierte Stimmung in Belgrad oder die gespannte Atmosphäre an der mazedonischen Grenze in den Vordergrund zu stellen.
Denn uns hat die fröhliche und dynamische Stimmung der Geschäftsstelle von Bread of Life beeindruckt, einem Bienenhaus gleich, wo nach einer Andacht zu Tagesbeginn die Angestellten und Freiwilligen sich auf die verschiedenen Arbeitszweige verteilen. Wir waren tief beeindruckt vom Engagement der Verantwortlichen in ihrem Denkprozess zum Thema Zukunft, zu einem Zeitpunkt, wo die reine “Hilfswerks“-Arbeit zu ihrem Ende kommt, sowie von ihrem tiefen Wunsch, ihre Gaben in den Dienst des Wiederaufbaus der Gesellschaft auf neuen Grundlagen zu stellen.
Die gleiche Energie fanden wir bei den Frauen, die uns in Kumanovo das Projekt “Vertrauen“ vorstellten: ein Team von Spezialisten (Ärzte, Psychotherapeuten, Soziologen) arbeitet an der Heilung der Brüche in der mazedonischen Gesellschaft. Diese Menschen organisieren vielseitige Aktivitäten (Seminare, Begegnungen, Sprachkurse...), die dazu dienen, Kommunikation zu ermöglichen, Freundschaften zu knüpfen, Vertrauen zu schöpfen im Verhältnis zu den ethnischen Minderheiten (Albaner, Roma) und eine künftige Rückkehr zum Alltag für geflüchtete und traumatisierte Menschen zu fördern.
Bei unserer Ankunft im Kosovo schockierte uns das Ausmaß der Zerstörungen, aber wir stellten bald fest, dass wir einen ganz anderen Blick auf das Land warfen als unsere kosovo-albanische Gastgeberin, die Pfarrerin einer kleinen Freikirche; denn sie drückte ständig ihre Dankbarkeit für die Fortschritte im Wiederaufbau ihres Landes aus.
Zu Beginn und zum Ende unserer Reise konnten wir in der Zusammenkunft mit Marijana Ajzenkol vom Zentrum für interreligiösen Dialog feststellen, wie man mit einfachen Mitteln die Begegnung und somit eine bessere Kenntnis und ein besseres Verständnis für “die andere Seite” ermöglichen kann.
Wie schon in der Vojvodina und in Kroatien fiel uns die tragende Rolle der Frauen in den besuchten Projekten auf. Alles scheint so abzulaufen, als würde das sog. “schwache Geschlecht” im Herzen der Katastrophe unerhoffte Schätze an Kreativität und Glauben in sich selbst entdecken.
Wir konnten auch mit Freude feststellen, dass sich die Methoden zur gewaltfreien Konfliktlösung (“gewaltfreie Kommunikation“ nach der Methode von Marshall Rosenberg, um nur ein Beispiel von vielen zu nennen) ihren Weg in die Balkanländer gebahnt haben und dass infolge der Tagung von Church and Peace in Elspeet im April 2001 Joe Campbell und das irische Mediationsnetz eine Reihe von Seminaren in Mazedonien abhalten.
Dennoch hat uns unsere Reise auch mit Problemen und Fragezeichen konfrontiert, die hier auch erwähnt werden müssen.
Die materiellen Kriegsschäden, die wirtschaft-lichen Probleme, die Umweltverschmutzung: in diesem Bereich ist der Bedarf an Hilfe wesentlich größer als das, was die NGOs leisten können, selbst wenn sie bereits “Wunder“ tun (Bread of Life konzentriert sich inzwischen auf das Schaffen von Arbeitsplätzen und arbeitet wie Agape an eindrucksvollen Wiederaufbauprojekten für Wohnhäuser mit). Besonders im Bereich der Umweltverschmutzung kann man sich fragen, wer sich mit den gewaltigen Problemen befassen wird, die da auftauchen. Bei unserer Abfahrt hatten wir den Eindruck, dass Europa keine Realität werden kann, wenn es diesem Problemfeld nicht ins Auge schaut und das auf höchster Ebene.
Die interethnischen und interreligiösen Spannungen: auch da ist eine riesige Baustelle, mit zu wenig Arbeitern.
Der Mufti von Belgrad hat uns gezeigt, dass die Stellungnahmen geistlicher Führer einen gewissen Einfluss haben können – er zitiert gerne die gemeinsame Erklärung, die er zu Beginn der 90er Jahre mit Patriarch Pavle abgegeben hat, und stellt fest, dass dieser Aufruf in Belgrad selbst gehört wurde, doch leider nicht jenseits der serbischen Grenze.
Mirco Andreev von der Evangelischen Kirche in Skopje - er war seinerzeit in Elspeet – hat einen offenen Brief an die Mitglieder der Heiligen Synode der Orthodoxen Kirche in Mazedonien geschrieben, um sie darin zu ermutigen, Gottes Stimme und nicht die der Politiker wiederzugeben (siehe C&P-Rundbrief, Sommer/Herbst 2001). Seine Erklärung brachte ihm das Missfallen der weltlichen Presse in Mazedonien und das Schweigen der Kirche ein.
Wir mussten mit Trauer feststellen, dass das orthodoxe Kloster in Decani, das während des Kosovo-Krieges beispielhafte Friedensarbeit geleistet und Flüchtlinge jeder Abstammung - Kosovo-Albaner inbegriffen - aufgenommen hatte, nun des Schutzes der KFOR bedarf, nachdem es mit Mörsergranaten angegriffen wurde. Böswillige Gerüchte kursieren über das Kloster und seine Haltung während des Krieges. Wir durften es nur unter Begleitschutz eines italienischen Offiziers besuchen.
Wir mussten auch den tiefen Graben zwischen den offiziellen und den kleinen Kirchen feststellen sowie die Beharrlichkeit der gegenseitigen Vorurteile. Die orthodoxe Kirche hat Mühe, das Auftauchen von Freikirchen als eine eigentlich normale Erscheinung in einer säkularisierten Gesellschaft wahrzunehmen und zu akzeptieren. Die evangelischen (Frei)Kirchen, die mit Christen auf der ganzen Welt in Kontakt stehen, haben ihrerseits einen anderen Horizont, was die Annäherung an die offizielle Kirche nicht fördert. Sie leiden darunter, als Sekten abgetan zu werden. Mit ihrer Dynamik und ihrem Engagement sind sie ein nicht zu leugnender Erneuerungsfaktor für die Gesellschaft.
Das schwungvolle Engagement so vieler Frauen hat uns noch empfänglicher gemacht für das tiefe Unbehagen, den Zorn, die Demütigung und die Bitterkeit mancher Männer, mit denen wir (vor allem in Serbien) gesprochen haben. Man darf sich fragen, wer sich mit diesem Problem beschäftigen wird.
Was bringen wir von dieser Reise mit und was bedeutet sie für die Arbeit von Church and Peace?
Zunächst bringen wir einen wahren Schatz an Begegnungen mit herausragenden Persönlichkeiten und an köstlichen Anekdoten: ich hatte zuerst daran gedacht, diesen Artikel folgendermaßen zu betiteln: “Mir war kalt, und der Mufti von Belgrad lieh mir seinen Burnus, wir hatten Hunger, und der KFOR-Offizier lud uns in die Militärkantine der Kaserne in Decani ein“. Ich würde gerne die unglaublichen Zwischenfälle wiedergeben, die Beba Varga erwähnt, wenn sie ihre Erfahrungen von 10 Jahren Krieg und humanitärer Arbeit schildert. Ich möchte von einem Spaziergang entlang der Donau an einem milden Frühlingsabend erzählen, bei dem uns Marjana Ajzenkol mit ihrem unerschütterlichen Humor erfreute, aber auch von den unendlichen Busfahrten und der Freund-lichkeit der Mitfahrer. Ich möchte meine Dankbarkeit erneut allen, die uns ihre Gastfreundschaft gewährten, aussprechen: Jasmina, Ellie, Ed, Radko, Vater Stojadin, Marijana und Hanna in Belgrad, Stojan in Kumanovo, Merita, Monsignore Cirimotic und Ingrid in Skopje, Bukurije in Peja...
All diese Begegnungen sind eine Einladung, konkreter zu beten und in stärkerem Maße an der Vernetzung zwischen Personen und Organisationen mitzuwirken, die ganz natürlich durch ein ähnliches Engagement miteinander verbunden sind. Wie damals Europa nach dem zweiten Weltkrieg hat der Krieg auf dem Balkan die Beziehungen zwischen den kriegführenden Ländern neu definiert. Es ist eine politische Lage entstanden, die wohl oder übel akzeptiert und anerkannt werden muss. Jenseits einer reinen Wiederaufbauarbeit innerhalb von durch den Krieg neu gezogenen Grenzen werden unsere Freunde auf dem Balkan und wir selbst herausgefordert, eine weit langfristigere Arbeit zu leisten: es geht darum, am Wiederaufbau des Vertrauens und der Begegnung mitzuwirken, unseren Beitrag zum geistlichen Wiederaufbau zu geben. Diese Arbeit kann nur trotz und jenseits von Grenzen vollzogen werden.
Diese Herausforderung betrifft ganz besonders die Kirchen. Wie es Mirco Andreev aus Skopje sehr richtig sagte: “In 10 oder 20 Jahren wird man fragen: Wo war die Kirche?“
Übersetzung: Silvia von Verschuer
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NEWS FROM THE NETWORK
• Mitglieder der Bokor-Bewegung marschieren für den Frieden
Terri Miller
Am 21. Oktober 2001 riefen etwa 250 Personen in Taszar, dem Sitz des NATO-Hauptstützpunktes in Ungarn, zum Frieden auf. Die Gruppe nahm an einem von der Bokor-Bewegung organisierten Friedensmarsch von Kaposvar nach Taszar teil, als Zeichen des gewaltfreien Protestes gegen Gewalt - sei es in Form eines terroristischen Angriffs oder “gerechtfertiger” Rache - und als Zeichen der Solidarität mit allen Opfern von Gewalt, ungeachtet ihrer Nationalität.
Obgleich das Treffen durch tragische Umstände ausgelöst wurde, wurde es zu einem frohen Ereignis. In Taszar legte die Gruppe dem Bürgermeister Petitionen vor, pflanzte Büsche im örtlichen Park und hielt gemeinsam Mahl. Zu dem 15-Kilometer-Marsch kamen die Teilnehmer aus zahl-reichen ungarischen Städten nach Kaposvar angereist. Für jene, die aus Budapest kamen, begann die Zusammenkunft mit einer Messe, die von Pater Gyorgy Bulanyi im Zug zelebriert wurde.
Übersetzung: Ingrid Jotter
• Eindrücke aus Belgrad
Hans Jakob und Renate Galle
Anfang Oktober besuchten wir das Belgrader freikirch-liche Hilfswerk ”Brot des Lebens”, das vom deutsch-mennonitischen Hilfswerk seit einigen Jahren regelmäßig unterstützt wird. Im Laufe dieser Jahre hatten wir über Hilfswerkskontakte wie auch über Church and Peace Jasmina Tosic, eine der Leiterinnen von “Brot des Lebens”, näher kennengelernt. Auf ihre Einladung hin waren wir in Belgrad, um die Arbeit dieses Hilfswerks wie auch die Situation in Serbien besser kennen und verstehen zu lernen.
Kurz einiges von dem, was wir erfuhren, zunächst zur Situation im Land: Von knapp 8 Mio Einwohnern sind ca. 10 % Flüchtlinge und Vertriebene aus anderen Teilen des früheren Jugoslawien, die vielfach in erbärmlichen Verhältnissen leben müssen. Die wirtschaftliche Situation hat sich seit dem Sturz Milosevics vor gut einem Jahr nicht verbessert, da die während des Kosovokrieges zerstörten Fabriken noch nicht wieder arbeiten und die Preise etwa ebenso gestiegen sind wie die Einkommen. Die offizielle Quote der Arbeitslosen (die keinerlei staatlich geregelte Unterstützung erhalten) liegt bei 27 % und das monatliche Durchschnittsgehalt der Verdienenden bei 180 DM. Dabei sind etwa 250 DM im Monat nötig, um die nötigsten Lebensmittel und Hygieneartikel sowie den Strom für eine 4köpfige Familie zu bezahlen. Besondere Not leiden in dieser Situation alte Menschen und kinderreiche Familien, besonders unter den Flücht-lingen.
Nun ein wenig aus der umfangreichen Arbeit von “Brot des Lebens”: Etwa 80 Mitarbeitende – für die mit ihrer Arbeit ein bescheidenes Einkommen verbunden ist - versuchen, den Ärmsten nötige Hilfen zum Leben zu geben. Sie betreuen dabei vor allem privat untergebrachte Flüchtlinge. In zehn städtischen Regionen und über 50 Dörfern werden monatlich Lebensmittelpakete verteilt; auch erhalten die Menschen Hygieneartikel und gebrauchte Kleidung. Krankenhäuser und Kinderheime werden ebenfalls unter-stützt. Im Sommer wurden in Zusammenarbeit mit einer britischen Organisation einfache Häuser für etwa 150 Familien gebaut. Geholfen wurde bisher schon rund 400.000 Menschen, vor allem in Belgrad und der näheren Umgebung.
Derzeit wird intensiv versucht, “Hilfe zur Selbsthilfe” zu gewähren, indem Bedürftigen z.B. Gewächshäuser, Nähmaschinen oder Werkzeugsätze, Kühe oder Legehühner gegeben werden, mit deren Ertrag sie selbst etwas verdie-nen können; einen Bruchteil des Ertrags haben sie dabei an andere Bedürftige abzugeben. Eine Nähwerkstatt gibt einer Anzahl Frauen Arbeit und ein kleines Einkommen. In den letzten Monaten haben diese Frauen die Arbeit einer an Krebs erkrankten Kollegin zusätzlich verrichtet und ihr und ihrer Familie, die sonst mittellos gewesen wäre, das Geld zukommen lassen. Uns hat diese Solidarität sehr bewegt!
Sehr stark beeindruckt hat uns auch, wie bewußt die Arbeit von “Brot des Lebens” als ”Gottesdienst”, d.h. als Ausdruck christlichen Glaubens, verstanden und mit einer entsprechenden spirituellen Basis getan wird.
Ganz klar wurde uns außerdem, daß “Brot des Lebens” auch künftig nicht ohne tatkräftige Unterstützung aus dem Ausland auskommen kann!
• Die Hand an den Pflug legen
Bertrand Slavic
Im Jahr 2001 hat der MIR romand (französischsprachiger Schweizer Zweig des Versöhnungsbundes) seine tägliche Arbeit weitergemacht: es bietet seinen Pflug den Christen aller Konfessionen an, um die Furche der Entdeckung des ge-waltfreien Christus zu ziehen. So haben wir uns mehrmals bei einigen Kirchen unserer Region eingeschaltet. Wir haben uns mit Christen getroffen, die über Konflikte und Gewalt nachdenken. Viele von ihnen stimmen der These des gewaltlosen Jesus zu, jedoch stehen sie zum Teil vor immensen Steinbrocken der Entmutigung. Was tun, wenn die meisten Lebensräume von der Gewalt in allen ihren Formen eingenommen werden? Die Frage ist einfach, aber nicht so die Antwort. In Wahrheit ist die Furche Christi und seiner Jünger unter Schweiß, Schmerzen und sogar dem Blut der Unschuldigen gezogen worden.
In diesem Jahr 2001 haben wir uns auch den Furchen anderer gewaltfreier christlicher Bewegungen genähert. Es geht darum, dass nicht jede/r für sich pflügt, sondern mit einem gemeinsamen Ziel, ohne dass es jedoch dieselbe Furche sein muss. So haben wir mit dem Friedensdorf in Broc und der Schweizer Sektion von Pax Christi eine gemeinsame Presseerklärung verfasst, um bei einer maximalen Anzahl von Christen das Interesse für die Volksabstimmung zum zivilen Friedensdienst zu wecken.
Schließlich werden wir die Furchen unseres ‚Diakonie’ - Projekts wieder aufnehmen: zunächst, indem wir engere Kontakte mit der Reformierten Kirche des Kantons Waadt knüpfen, dann durch Veranstaltungs- und Fortbildungsangebote für Priester, Pfarrer, Pastoral-assistenten und Diakone. Wir hoffen, dass die Saat der vergangenen Jahre viel Frucht tragen und dass die Ernte neue Arbeiter anlocken wird.
Aus dem Jahresbericht 2001 des Mir romand
Übersetzung: Silvia von Verschuer
• Nachrichten aus Grandchamp
St.Elisabeth (Jerusalem)
S.Claire-Irène sagte uns letzten Sommer: “Es bedeutet eine grosse Herausforderung für uns, ein Zeichen der Hoffnung und des Lebens zu bleiben. Alles, was wir tun können, ist, uns ganz einfach vor Gott zu halten und einzig aus seiner Barmherzigkeit zu leben. Wir können das teilen, was wir unter uns tagtäglich im Kleinen und sehr verletzlich zu leben versuchen: Versöhnungen, Vergebung, Vertrauen, Neuanfänge. Um ein Ort zu sein, wo Gott sich der Welt mitteilen kann, müssen wir Christus in uns diese Weise des Glaubens und des schweigenden Mitleidens vertiefen lassen, müssen wir die Liebe in uns wachsen lassen, damit unser Reden wahrhaftig sei, und dem Licht erlauben, die Dunkelheiten zu durchbrechen, die uns umgeben. Wir sind Bettler zwischen Himmel und Erde, zwischen dem, was schon sichtbar, und dem, was noch nicht da ist. Wir sind da, um den Schrei der Verwirrung, der in so vielen aufsteigt, aufzunehmen, so z.B. den unserer jüdischen, doch kaum praktizierenden Nachbarin, -es könnte jedoch ebenso ein palästinensischer Freund sein- . Als sie mich sah, liess sie ihrer Angst freien Lauf: “Wo ist denn dein Gott? Wäre er da, liesse er all das Böse nicht geschehen...” Tastend, so gut wie ich es vermag, beginne ich nach einer Antwort zu suchen, aber es kommt keine.So verstumme ich ohnmächtig. Ich werde immer schweigsamer und merke, dass ich gar keine Antwort geben muss, sondern einfach freund-schaftlich da sein soll, solidarisch im Leid, ganz da sein, zuhören und mitleiden. In der nun einkehrenden Ruhe mache ich die umwerfende Erfahrung, dass wir nun auf einer anderen Ebene beisammen sind, tiefe Gemeinschaft im Wesentlichen haben, wo alle Worte überflüssig werden (...)”.
Algier
s.Renée und s.Anne-Geneviève teilen inmitten von viel Gewalt und Mutlosigkeit den oft schwierigen Alltag derer, die sie umgeben. Die Brüder, die gehofft hatten, nach Tibhirine zurückkehren zu können, sind weggezogen und hinterlassen eine grosse Leere. S. Renée schrieb uns:“Wie können wir in Gemeinschaft leben, im Annehmen eines echten Pluralismus, wo jeder respektiert und angenommen ist und zu einem gemeinsamen Ziel aufbricht? Und das sowohl in der Politik als auch in der Kirche und in den Familien - im Dialog mit dem Islam - ? Dies ist eine wesentliche Frage, die von vielen im Land gestellt wird und die das Land stellt.”
Grandchamp
Wie an den anderen Orten spüren wir die tiefe Wirkung des Rufes zu Versöhnung und Einheit. Er trifft uns oft an den verwundbarsten Stellen. So haben wir zeitweise Mühe, unseren internen Erfordernissen gerecht zu werden, ganz zu schweigen von dem, was von aussen an Anfragen kommt! Dies erfordert von uns auf verschiedenen Ebenen eine grosse Aufmerksamkeit den anderen gegenüber und eine stets wachsende Solidarität, eine bessere “Zirkulation” zwischen unseren verschiedenen Orten.
• Kontinuität und Erneuerung
Generalkapitel der Arche
Aus einem Bericht von Liliane Bach Bairam
Von 2.-6.1.2002 fand in der Gemeinschaft Saint-Antoine bei Saint-Marcellin in Frankreich das Generalkapitel der Arche von Lanza del Vasto statt. Die Generalsekretärin von Church and Peace nahm als Beobachterin teil, Liliane Bach Bairam als Vertreterin der Arche-Verbündeten in Deutschland.
Während des dreitägigen Generalkapitels hatte ich das Gefühl, einer Geburt beizuwohnen. Besonders klingen mir noch die von Lanza del Vasto zitierten Worte im Ohr: “ Die Arche ist ständig in Gründung“ sowie die Worte einer Compagne: “Grundidee der Arche ist, seinem Gewissen zu folgen und nicht den Gesetzen“. So bemühte man sich gemeinsam, so wenig Enge wie möglich und soviel Weite und Öffnung wie nötig für eine Arche der Zukunft zu schaffen.
Hauptthema war die Arbeit an der Ordensregel: diese enthält die Themen, die sich von den sieben Gelübden der Compagnons ableiten sowie vom gemeinschaftlichen Zusammenleben. Die Gewaltfreiheit, das Teilen, die Handarbeit und der Gehorsam gegenüber dem Orden spielen eine wesentliche Rolle. Auf Fragen wie: “Was lebe ich von der Regel und was nicht? Was ist heutzutage nicht mehr nötig in der Regel?” hatten die Compagnons seit dem letzten Kapitel versucht, schriftlich zu antworten. Im Plenum wurden die Ergebnisse dieser Umfrage diskutiert.
Jean-Baptiste Libouban, der Pilger, wies auf den Wert der Grundregel “Handarbeit“ hin. Er sagte, dass die Arche in Zukunft nicht mehr unbedingt “Arbeitender Orden“ heissen müsse, jedoch sei das gelebte Mittel der Handarbeit sehr wichtig. Ein weiteres Grundelement, welches unbedingt in der Regel verbleiben müsse, sei die Idee des Teilens und des gegenseitigen Dienens. Er meinte außerdem, dass die Bezeichnung “Orden“ für die Gemeinschaft nicht mehr angemessen sei, und wünschte sich einen anderen, passenderen Begriff. Den Compagnons gegenüber, die den Spagat zwischen der Lehre des Gründers und ihrer realen Lebenssituation beklagten, machte er jedoch Mut, diese Lehre nicht wörtlich zu nehmen. Jüngere Compagnons und NovizInnen berichteten ihrerseits, sie seien glücklich, in einer Archegemeinschaft zu leben. Die Gelübde und die Regel würden für sie keine besonderen Hürden dar-stellen.
Die Frage, ob man in Zukunft alles in einmütigem Konsens entscheiden könne und solle, war ebenfalls ein Thema. Die Arche braucht eine differenziertere Entscheidungsstruktur. Das Prinzip der Einmütigkeit vergan-gener Tage, das oft Stagnation und Frustration bewirkt hat, soll ersetzt werden durch ein System, welches die Einmütigkeit miteinschließt, aber nicht in jedem Fall voranstellt.
Schließlich ging es noch um die Nachfolge des jetzigen Pilgerpaares, Jean-Baptiste und Jeannine Libouban.
Eine zum ersten Mal per Abstimmung gewählte Kommission soll sich ein Jahr lang im ständigen Kontakt mit dem Pilgerpaar und den Mitgliedern den angesprochenen Fragen widmen, insbesondere der Frage nach der Ablösung des Pilgerpaares.
Dieser ganze “Geburtsprozess“ wurde umrahmt und begleitet durch Lieder, Gebete, Tänze und die wundervolle Gastfreundschaft der Leute von Saint-Antoine. Der Geist der Arche war präsent und lebendig!
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KURZNACHRICHTEN
• “Aktiv für den Frieden“
Unter diesem Titel fand im November 2001 der zweite Grundkurs “Einführung in gewaltfreies Handeln“ in Fojnica (Bosnien-Herzegowina) statt. Organi-siert wurde er von ABRAHAM, dem Verein für interreligiöse Friedensarbeit in Sarajevo, in Zusammenarbeit mit dem Oekumenischen Dienst, in dessen Händen vor allem Fundraising und Teambegleitung lagen.Das Spezifische an diesem Grundkurs istdie Verbindung des Themas Gewalt / Gewalt-freiheit mit dem eigenen Glauben in einermultireligiös zusammengesetzten Gruppe. Laut Ana und Otto Raffai aus Zagreb, die den Kurs leiteten, ist dies ein fürdie Region Balkan neuer und bislang einmaliger Zugang.Schalom-Brief 27, Februar 2002
• Studientage “Gerechter Friede“
Über eine der bisher seltenen Kooperationen mit einer Institution der katholischen Kirche berichtet Schalom-diakonin Stefanie Bruckmeir:“Die Fachakademie zur Ausbildung von Gemeindereferenten/innen in Freiburg hat in Kooperation mit dem Oekume-nischen Dienst-Vorsitzenden Herbert Froehlich an zwei Studientagen den Impuls des Bischofspapiers ‘Gerechter Friede’ aufgenommen. Nach der Einführung in die Vision vom gerechten Frieden wurden in Workshops u.a. die Themen Gewaltfreiheit, Schalomdienste und gewaltfreie Kommunikation vertieft. Von den Studierenden wurden die Beschäftigung mit dem Thema und die Art der Durchführung positiv bewertet.“ Schalom-Brief 27, Februar 2002
• Religiöse Leiter aus USA rufen zu friedlicher Antwort auf Terrorismus auf
Gesponsert durch den überkonfessio-nellen Zusammenschluss für eine friedliche Beendigung des Terrorismus riefen vier kirchliche Leiter am 23. Januar 2002 in einer Telefon-Pressekonferenz zu einer Veränderung in der Bekämpfung des Terrorismus auf. Insbesonders forderten sie eine strafrechtliche Verfolgung im Kontext des internationalen Gerichthofs. Sie appellierten auch an die Vereinigten Staaten von Amerika und an ihre Verbündeten, auf langfristige politische und wirtschaft-liche Entwicklung in Zentralasien und im Mittleren Osten hinzuarbeiten. Außerdem solle die Rechtfertigung des Einsatzes militärischer Macht mit der Theorie des “gerechten Krieges” neu überdacht werden. An der Konferenz nahmen teil: The Right Reverend Richard Shimpfky (Anglikanische Kirche), Bishop C. Joseph Sprague (Methodistische Kirche), Sister Kathleen Pruit, CSJP (Leadership Conference for Women Religious), und Rabbi Arthur Waskow (Director, Shalom Center). Behind the News, 14. Februar 2002
• Versöhnungsbund USA startet Friedenspräsenz in Nord-Kolumbien
Anfang Februar startete der Versöhnungsbund USA seine kolum-bianische Friedenspräsenz in der abgelegenen Siedlung La Union der Friedensgemeinde San José de Apartado in Nord-Kolumbien. Zwei Freiwillige aus den USA gewährleisten persönlichen Begleitschutz in der Gemeinde, einer von 50 Friedens-gemeinden, die in den Konfliktregionen des Landes gegründet wurden. Wegen ihrer Verpflichtung, keine bewaffnete Konfliktpartei zu unterstützen, wurde die Gemeinde wiederholt Opfer von Tötungen, Angriffen und Bedrohungen, besonderes durch militärisch gestützte paramilitärische Kräfte. Die Anwesenheit der Beobachter des Versöhnungs-bundes soll die Gemeinde in ihrem Recht auf Leben unterstützen und zu einer Verbesserung der Wahrung der Menschenrechte und der internationalen humanitären Gesetzgebung beitragen. Fellowship Magazine, 21. Februar 2002
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C&P-REGIONALE TAGUNGEN
• Die englischesprachige Church and Peace- Tagung unter dem Motto “Frieden stiften - unsere einzige Waffe ist Gottes Liebe” wird zusammen mit der Anglikanischen Pazifistischen Gemeinschaft veranstaltet und findet vom 14. bis 16 Juni 2002 im Shallowford House, Stone, Staffordshire, statt. Anmeldung möglich bei Jenny Nicholson, Flat 1, 43 Benslow Lane, Hitchin SG4 9RE, UK, [email protected]. Weitere Informationen erhält-lich bei Gerald Drewett, 20 The Drive, Hertford SG14 3DF, Tel & Fax: +44 1992 416 442, [email protected]
• In Zusammenarbeit mit dem Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee veranstaltet Church and Peace seine nächste deutschsprachige Regionaltagung vom 18. bis 20. Oktober 2002 auf dem Thomashof bei Karlsruhe . Die Tagung findet unter dem Motto “Das Böse mit Gutem überwinden“ - Konflikt -Transformation, Methoden und Modelle” statt. Hauptreferent wird Arnold Fast sein, Dozent an der Mennonitischen Ausbildungstätte Bienenberg (Schweiz). Herzliche Einladung! Weitere Informationen bei der Geschäftstelle von Church and Peace oder bei DMFK, Hauptstr. 86, D-69245 Bammental, Tel +49 (0)6223 /5140, Fax: / 47791, Email: [email protected]
• Thema der französischsprachigen Church and Peace-Tagung wird “Globalisierte Gewaltakte und Globalisierung der Gewalt” sein. Die Tagung findet am 25. –27. Oktober 2002 in der Abtei der Dombes, Communauté du Chemin Neuf, bei Lyon statt. Über Fragen von Mechanismen und Auswirkungen der Globalisierung, den Zusammenhang zwischen Terrorismus, Bekämpfung des Terrorismus und Globalisierung, Jesu Haltung im Kontext der Glnbalisierung seiner Zeit und dem Beitrag der Kirchen zu einer Globalisierung des Friedens sollte nachgedacht werden. Weitere Informationen gibt es bei Bruno Bauchet, 16, Av. Martelange, F-84000 Avignon, Tél: +33 4 90 86 67 99, Fax: +33 4 90 82 24 22, Email: [email protected]