András Gromon

Gedanken unter dem Vorwand des Turiner Grabtuches

Die Auferstehung Jesu im Spiegel des Daseins und der Güte Gottes

 

 

Zwischen "Karfreitag" und "Pfingsten" musste etwas geschehen sein, das genug elementare Kraft hatte, den Prozess des Karfreitags in den Jüngern ins Gegenteil zu wenden und die Sache Jesu aus dem Zusammenbruch zu einer Fortsetzung zu verhelfen. Dieses Geschehen nennen wir "Ostern", die "Auferstehung" Jesu.

Diese "Auferstehung" konnte im Wesentlichen nur auf drei Arten geschehen sein: 1) Entsprechend der traditionellen Lehre der Kirche: Jesus ist am Kreuz gestorben, aber Gott hat ihn am dritten Tag von den Toten auferstehen lassen, und zwar in einem derart verherrlichten Leib, dass er gleichermaßen den Gesetzen der diesseitigen wie der jenseitigen Welt entsprach und sich nach Belieben in dieser oder in der transzendenten Welt bewegen konnte. 2) Entsprechend einer psychologischen Erklärung: Jesus ist am Kreuz gestorben, er blieb im physikalischen Sinn auch tot (in dieser Hinsicht ist nicht von Bedeutung, was mit ihm im geistigen Sinn in einer transzendenten Welt geschah), und nur im "Bewusstsein" bzw. in der "Seele" seiner Jünger ist er "auferstanden"; es ist also in ihnen (wie auch immer) die Gewissheit entstanden, dass Jesus (in der Transzendenz) lebt. 3) Entsprechend einer Scheintod-Annahme: Jesus ist am Kreuz nicht gestorben, nur in Bewusstlosigkeit gefallen, im Felsengrab zu sich gekommen, ist später in dieser physikalischen Welt den Jüngern wieder begegnet, sich langsam erholte und zu Kräften kam, so dass er seine Jünger noch wiederholt treffen und unterrichten konnte.

Meiner Ansicht nach ist die psychologische Erklärung gerade psychologisch nicht geeignet, um all das zu erklären, was in den Jüngern, durch die Jünger und mit den Jüngern geschehen ist, was wir als Entstehen und Entfaltung der Kirche bezeichnen. Die Scheintod-Annahme ist keineswegs unmöglich, aber nicht einfach zu begründen und hat zweifellos angreifbare Punkte. Die traditionelle Lehre der Kirche ist ebenso unmöglich zu "beweisen", wie die beiden anderen Erklärungen; sie weist auch in philosophischer wie in physikalisch-biologischer Hinsicht nicht weniger Probleme auf als die anderen Erklärungen. — Ich behaupte deshalb, dass nach dem heutigen Stand des Wissens weder mit philosophischen, noch mit psychologischen und naturwissenschaftlichen Methoden zu entscheiden ist, welche der drei Erklärungen zutrifft. (Einige versuchen es durch den Turiner Grabtuch zu beweisen, dass Jesus am Kreuz nicht gestorben ist, andere aber sehen an diesem Tuch Zeichen, die gerade den Tod Jesu "beweisen".)

Nähern wir uns deshalb dem Problem auf einem vierten Weg, nämlich theologisch, indem wir lediglich drei Axiome verwenden: 1) Setzen wir voraus, dass Gott existiert und sein Wesen die absolute Liebe ist. 2) Setzen wir voraus, dass die Auferstehung Jesu so geschehen ist, wie die traditionelle Lehre der Kirche es behauptet. 3) Setzen wir voraus, dass die Tatsachen der Geschichte (z. B. die Kreuzzüge) echte Tatsachen sind.

Ist es auf dieser Grundlage mit nüchternem Verstand und mit fühlendem Herzen vorstellbar, anders gesagt: ist es wahrscheinlich, dass der Gott der absoluten Liebe in einer historisch derart einmaligen Weise in den Gang der Geschichte eingreift, d. h. "seinen Sohn", Jesus von Nazaret, in spezieller Weise und mit speziellen Konsequenzen aus dem Tod auferweckt, aber

— ihn vorher (aus irgendwelchem Grund und zu irgendwelchem Zweck) selber den schrecklichsten Leiden ausliefert (vgl. Mk 9,31: paradidotai [Passivum divinum]; Joh 3,16: ton hüion ton monogené edóken; Apg 2,23: touton... té hórismené boulé kai prognósei tou theou ekdoton; Röm 8,32: hüper hémón pantón perdóken auton; 1Joh 4,10: apesteilen ton hüion autou hilasmon);

— seine einmalige und alles entscheidende großartige Intervention in jeder Weise verheimlicht, ganz besonders vor seinen Feinden, die besonders nötig hätten, sie zu erfahren, und zugleich von jedem die demütige Annahme dieses Geheimnisses erwartet;

— er macht seine nicht erfahrbare und nicht beweisbare, nur "im Glauben anzunehmende" Intervention zum Mittelpunkt der Geschichte, bzw. zum letzten und entscheidenden Kriterium des "wahren Glaubens" (und vielleicht sogar des Heiles);

— eine wirksame Weitergabe der sittlichen Botschaft des von ihm erweckten (und damit "beglaubigten"!) Jesus nicht sicherstellen kann oder will, obwohl er den Glauben an seinen außerordentlichen Eingriff in der Geschichte (mit Feuer und Schwert!) aufrecht erhält;

— er kann oder will nicht erreichen, dass "der normale Gang" der Geschichte seinen ursprünglichen Vorstellungen entspricht: zu einer menschenwürdigen Bewältigung des menschlichen Lebens kann oder will er keine sichere und wirksame Wegweisung und Hilfe geben;

— gegen die unendlichen Leiden der Menschheit, die Unterjochung, Ausbeutung und Folterung von Milliarden kann oder will er keine Hilfe bieten;

— er kann oder will nicht verhindern, dass seine einmalige Intervention selbst zur Quelle von unermesslichem Hass und Morden wird (angefangen bei der Konfrontation der Christen mit den Juden über die Inquisition bis zu den Glaubenskämpfen zwischen den Konfessionen usw.)?

Jeder mag selber entscheiden, ob die in diesen Fragen enthaltenen Zwiespältigkeiten (Widersprüche?) auflösbar sind, und wenn ja, wie. Und jeder mag auch entscheiden, ob die Scheintod-Annahme nicht wenigstens so ernst zu nehmen ist wie die beiden anderen, oder noch mehr: ob diese Annahme der Transzendenz Gottes, der Freiheit der Menschen sowie der Eigengesetzlichkeit der geschaffenen Welt am besten gerecht wird?

(2001)

Übersetzung aus dem Ungarischen: Peter Sárdy

 

Anschrift: András Gromon

Kápolna u. 10.

Pilisvörösvár

H — 2085