Die Vision neu definieren: was ist eine Friedenskirche?
Dr. Neal Blough
 
 
Allgemeiner Kontext
 
Die Begegnung von Church and Peace in Osijek ist sozusagen ein Symbol für eine grundlegende Wirklichkeit. Die Weltlage ist eine andere: vom kalten Krieg mit seiner Konfrontation zweier Blöcke (Zeitspanne der Entstehung von Church and Peace) sind wir zur Globalisierung übergewechselt. Nun scheint eine Großmacht ihren politischen und wirtschaftlichen Willen aufzwingen zu können. Ihre Volkskultur und ihre Sprache werden zum Allgemeingut.
 
In der Vergangenheit hat auch die Sowjetunion eine solche vereinheitlichende Vision besessen. Die Menschheitsgeschichte beweist, dass aus jedem Imperialismus Bewegungen entstehen, die auf der Suche nach der eigenen Identität sind und sie behaupten wollen, - und neue Kriege. Der Balkan, Tschetschenien, Ruanda, Kongo, Irak sind Schauplätze ethnischer Zusammenstöße, Konfrontationen zwischen Völkern, und die Religion mischt kräftig mit. Es geht nicht mehr um den Kampf zwischen Kommunismus und Kapitalismus, denn letzterer meint die Schlacht gewonnen zu haben. Aber dieser Sieg bringt neue Abstoßungsreaktionen hervor
 
In diesem neuen Zusammenhang wird also die Vision von Church and Peace heute Gestalt annehmen. Wir möchten hier mehrere sehr einfache biblische und theologische Konzepte vorstellen, die zur Erneuerung Friedensdenken und Friedenshandeln beitragen könnten. 
 
 
Mögliche biblische Leitbilder für diese Vision 
 
Wir vergessen es zu schnell: die wichtigsten christlichen Überzeugungen haben alle mit dem Frieden zu tun: Versöhnung, Liebe, Vergebung, Erlösung. So ist es nicht übertrieben, wenn wir behaupten, dass der Friede im Zentrum von Gottes Projekt zu situieren ist. 
 

Denn es hat Gott wohlgefallen, dass in ihm alle Fülle wohnen sollte und er durch ihn alles mit sich versöhnte, es sei auf Erden oder im Himmel, indem er Frieden machte durch sein Blut am Kreuz... (Kol 1; 19-20)

 
Wie aber können wir von dieser weltumfassenden Friedensvision (zurecht als theologische Abstraktion zu bezeichnen) zur Wirklichkeit unserer Welt gelangen? Wie nimmt diese Vision in der Geschichte, im Leben Gestalt an und verlässt so den Bereich einer vom Weltgeschehen abgeschnittenen Theologie? Zwei biblische Erzählungen können uns helfen, die Friedenstheologie konkret und kontextnah werden zu lassen. 1) Biblische Sichtweise der Globalisierung: Der Turm zu Babel[1] 
Es kann unbedingt einleuchten, die Erzählung vom Turm zu Babel (Genesis 11; 1-9) als den ersten menschlichen „Globalisierungsversuch“ anzusehen. Es handelt sich nämlich um den Versuch, eine Stadt zu bauen, eine Kultur, deren Technik es ermöglicht, als Menschen den Himmel, den Bereich Gottes (Turm) zu erreichen, eine Welt, in der alle dieselbe Sprache sprechen. 
 
Gleichzeitig sehen wir, dass Gott dieses imperialistische Unterfangen nicht billigt. Gott bleibt nicht gleichgültig (‚Und der HERR fuhr herab, um die Stadt und den Turm anzusehen‘). Gott setzt Grenzen (‚Und der HERR zerstreute sie von dort über die ganze Erde‘). Der Versuch, eine einheitliche Welt zu bauen mündet in Zerstreuung, Trennung, Konflikt, verschiedene Sprachen (‚ …dass sie einer des anderen Sprache nicht mehr verstehen!‘).  Der Versuch zu einigen bringt Zersplitterung. Gibt es eine bessere Art, die Zersplitterung der Sowjetunion oder Ex-Jugoslawiens zu beschreiben? Gibt es eine bessere Art, die ablehnenden Reaktionen auf die Ausdehnung der Macht und der Kultur der Vereinigten Staaten zu erklären? 
 
Die Erzählung vom Turm zu Babel liefert uns eine grundlegende Lesart der menschlichen Geschichte und Erfahrung und gleichzeitig den Kontext, um die biblische Lehre der Erlösung zu verstehen. 
 
2) Die biblische Antwort: die Erlösung
 
Wie antwortet Gott auf den Turm zu Babel? Eines ist klar: Die Geschichte endet nicht mit der Zersplitterung aus Kapitel 11. Gott ist damit nicht zufrieden. Er antwortet mit dem Projekt des „Segens“, der „Versöhnung“ der zerstreuten und getrennten Familien. Beginn dieses Projektes ist Abrahams Berufung (Genesis 12; 1-3).
 
Anstatt sich ein eigenes Leben zu bauen, gründen Abraham und Sara ihre Identität auf das Hören auf Gottes Projekt, auf Gottes Wort. Sie werden „verlassen“ müssen, d. h. das hinter sich lassen, auf das sich in den meisten Fällen die menschliche Identität gründet (das Ich, das Land, die Familie). Mit anderen Worten relativieren sie das, was so oft Ursprung des Konfliktes zwischen Gruppen und Völkern ist. Ihre Identität wird anders gebaut, indem sie sich in ein Projekt begeben, das sie nicht gänzlich begreifen und das nicht aus ihrer Initiative entstammt.. 

Abraham und Sara werden Grundlage eines Volkes sein, denn das Heil ist nichts Individuelles. Für ein sozialpolitisches Problem (Babel) bietet Gott eine sozialpolitische Lösung an (ein neues Volk). Dieses Volk soll Segen (Wohltat) sein für die durch Babel getrennten Familien. Die Menschheitsgeschichte wird auf eine Verheißung gebaut, und nicht auf die gelebte Wirklichkeit von Konflikt und Trennung, von Macht- und Besteuerungswillen.

 
Das Neue Testament sieht diese Verheißung aus Genesis 12 in Christus verwirklicht, in der Gründung einer neuen Gemeinde. 
 

Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft worden seid, ihr habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus. Wenn ihr aber des Christus seid, so seid ihr damit Abrahams Nachkommenschaft und nach der Verheißung Erben. (Gal 3; 27)

 

Gottes Friedensprojekt soll in dieser neuen Gemeinschaft der Kirche Gestalt annehmen und sichtbar werden. Leider hat die Kirche zu oft im Lauf ihrer Geschichte diese grundlegende Wahrheit vergessen. Sie hat ihre Identität an Grenzen zwischen Rassen, Ländern, Weltreichen gebunden. Zu oft ist die Kirche zur Logik von Babel zurückgekehrt. Das „nicht Jude, nicht Grieche“ ist zu oft zu einem „ausschließlich europäisch, deutsch, französisch, amerikanisch, weiß“ geworden. Anstatt Friedensmoment zu sein, ist die Kirche zu einem Faktor von Zwist, Krieg und Hass geworden, und zu einem Ort, an dem nur noch gepredigt und Riten zelebriert werden.
 
Ein wichtiger Teil der Vision von Church and Peace wäre also die klare Formulierung einer Kirchenlehre des Friedens, die Rückkehr zu dieser biblischen Sicht von Kirche als Friedens- und Versöhnungsgemeinde, als Ort der zerbrochenen Mauer, des „nicht Jude, nicht Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann und Frau“. Die Kirche ist ein konkreter Ort des Friedens, wo Gottes Projekt versucht, Gestalt anzunehmen, sichtbar zu werden, mitten in der Geschichte. 
 
 
Kirche und Frieden: von der Vision zur Wirklichkeit
 
Bei „Kirche“ denkt man oft an „Riten“, „Fortschrittsfeindlichkeit“, „Hierarchie“, „große leere Gebäude“. Tatsache ist aber, dass sich die Kirchen seit einiger Zeit für den Frieden und gegen die Gewalt einsetzen. Ich denke da an das Friedensengagement der katholischen Kirche, gegen den ersten Golfkrieg, gegen den Irakkrieg. Ich denke dabei an die Dekade zur Überwindung von Gewalt des ÖRK. Ich denke an das Nein zahlreicher Kirchen (auch in den Vereinigten Staaten von Amerika) gegen den Krieg in Irak. Die Weltlage begünstigt das Nachdenken und das Engagement zu den Fragen von Krieg und Frieden, von Gewalt und Gewaltfreiheit; Church and Peace sollte in dieser Situation Präsenz zeigen. Hier einige Denkansätze in diesem Sinn:
 
 
a. Die Kirche möge (Orts-)Gemeinde sein
 
Dass die Kirche überall auf der Welt vorhanden ist, ist für uns eine Chance. Sie ist ja schon Wirklichkeit. Jede Kirche, jede Gemeinde, jede Ortsgemeinde ist dazu aufgerufen, zu diesem Ort der zerbrochenen Mauer zu werden, zum Ort, wo der Friede, wo das „nicht Jude, nicht Grieche“ sichtbar werden.
 
Zu oft sehen wir keinen Zusammenhang zwischen den christlichen Überzeugungen oder Liturgien und dem Frieden. Es fällt uns schwer, den Sonntag mit dem Rest der Woche zu verbinden. Die Theologie, der Gottesdienst, die Sakramente auf der einen Seite, der Friede, die Gewaltfreiheit auf der anderen. Und doch ist jeden Sonntag überall auf der Welt die Rede von der ‚Guten Nachricht‘, vom ‚Frieden‘, von der ‚Vergebung‘, von ‚Buße‘, von ‚Versöhnung‘, von ‚Einheit‘, von Gottes Reich.
 
Was wäre denn, wenn die schon bestehenden Kirchen (denen wir angehören und die wir kritisieren) etwas mehr zu Zeichen des Friedens, zu Orten des Lebens und der Hoffnung, zu konkreten Zeichen des Evangeliums der Versöhnung würden?? 
 
Jedem und jeder von uns ist es geschenkt, einer christlichen Ortsgemeinde anzugehören. Hier ist der Ort an dem wir in unserem Leben zum ersten Mal sehen können, wie die christlichen Überzeugungen Form annehmen (Gottes Liebe, Nächstenliebe, Geschwisterliebe, Feindesliebe). Hier lernen wir zu vergeben, uns in Frage zu stellen, unsere eigenen Überzeugungen in punkto Frieden zu prüfen. 
 
Für die Kirche und jede Ortsgemeinde steht da auf dem Spiel, wie sie die schwierige Grenze zwischen den „Riten“, der „Predigt“, den „Sakramenten“ und dem „wirklichen Leben“ zu überqueren vermag. In meiner eigenen Erfahrung habe ich gesehen, wie sehr das „Nicht Jude, nicht Grieche“ das Gemeinschaftsleben motivieren kann, wenn man es mit verschiedenen Gruppierungen und ethnischen Gruppen zu tun hat. In vielen europäischen Stadtgemeinden gibt es eine bunte Mischung von unterschiedlichen Gruppen und ethnischen Zugehörigkeiten, das bedeutet, dass eine Ortsgemeinde eigentlich ein Antirassismus-Labor werden könnte, sowie ein Ort des Teilens zwischen zahlreichen Ländern und Kulturen. Das ist nicht wenig.
Eine wichtige Aufgabe der Mitglieder einer Friedenskirche ist es, diese frohe Botschaft des Friedens in die Ortsgemeinden zu bringen, Partner zu finden, Pfarrer, Katecheten; unsere Feiern zu Orten zu machen, wo das Evangelium im Alltag Form annimmt... unsere Predigten und Riten zu Reden und Gesten des Friedens, der Geschwisterlichkeit, der Vergebung werden zu lassen... Viele Menschen haben noch nie über den Zusammenhang zwischen „Riten“, „Überzeugungen“ und „Frieden“ nachgedacht. Zu oft verweisen christliche Begriffe auf „Geistig- Geistliches“, auf Unsichtbares, auf Zukünftiges, und nicht auf das Leben hier und jetzt, nicht auf den Frieden „zwischen uns“, nicht auf die Möglichkeit zu vergeben und etwas Neues zwischen unterschiedlichen ethnischen und sonstigen Gruppen zu leben, nicht auf die Feindesliebe. Eine Friedenskirche könnte Salz sein inmitten aller sowieso schon vorhandenen Ortsgemeinden. Letztere müssen nämlich nicht gegründet werden, sie sind schon da.
 
 
b. Die Kirche möge Kirche sein (allgemein / katholisch)
 
Von diesem Ortsbereich aus ist es aber wichtig, zu einer anderen Ebene zu gelangen. Die Zusammensetzung der Mitglieder von Church and Peace zeugt von dieser Möglichkeit und ermutigt dazu, weiterzugehen. Es ist dringend notwendig die Auffassung (und vor allem die Wirklichkeit) einer „katholischen“, d.h. weltumfassenden Kirche wieder zu finden.  
 
In den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung gab es innerhalb des römischen Reiches ein Netz von Gemeinden, die aus Männern und Frauen, aus Sklaven und Herren, aus Juden und Griechen bestanden. Dieses Netz verkündete, dass „Jesus der Herr“ sei, was bedeutete, dass „Cäsar“ es infolgedessen nicht war. Dieses Netz hat neue Formen und Praktiken der Solidarität geschaffen. Die Theologen dieses Netzes (vor Konstantin) lehrten, dass man unter gar keinen Umständen einen Menschen töten dürfe.  
 
Dann wurde die Kirche kaiserlich, mächtig und hierarchisch. Anschließend teilte sie sich aus kulturellen, sprachlichen und theologischen Gründen. Bis die geteilten Kirchen sich bekriegten, sich gegenseitig verurteilten. Heute spiegelt die soziale Wirklichkeit dieser Kirche nicht mehr diese „katholische“, „weltweite“ Vision. Die Wirklichkeit der Kirchen ist zu oft Ursache von Konflikt und Zerstrittenheit (oder bestens Gleichgültigkeit).
 
Das Flicken der Bruchstücke zwischen den Christen, also die ökumenische Arbeit, ist im Wesentlichen eine Friedens- und Versöhnungsarbeit. Daher erscheint der ökumenische Charakter von Church and Peace so wesentlich. Neue Möglichkeiten des Dialogs und des Zeugnisses eröffnen sich uns im ökumenischen Bereich (die Vision der theologischen Fakultät in Osijek, die Dekade zur Überwindung von Gewalt des ÖRK und unlängst der Einsatz gegen den Irakkrieg zeigen es).
 
Ich träume davon, dass die schon überall bestehenden Kirchen, in Europa und weltweit, zu „Friedenskirchen“ werden, dass sie die Vision der „zerbrochenen Mauer“ teilen, und dass sie diese auf die sozialpolitischen Mauern anwenden, auf die Mauern zwischen den Gemeinschaften, zwischen den Rassen, zwischen den Nationen. 
 
Ich träume von amerikanischen Kirchen, die denken „es gibt Christen in Irak. Wir können nicht unsere Geschwister in Christus töten…“. Ich träume von Kirchen, die denken, dass Jesus uns dazu aufruft, unsere Feinde zu lieben, ganz gleich ob weiß, schwarz, serbisch, kroatisch, vom Stamm der Hutus, vom Stamm der Tutsis, islamischen Glaubens oder atheistisch. Ich träume von Kirchen, die sich trauen, öffentlich zu bekennen: jeder Mensch ist nach Gottes Abbild geschaffen. Wir können einfach nicht töten. 
 
Mitten im derzeitigen globalisierten ‚Kaiserreich’ träume ich von einer wirklich „katholischen“ Kirche, die fähig ist, sich eine Identität in Christus aufzubauen, anstatt anhand von Staatsangehörigkeits- und Wirtschaftskriterien. Diese „internationale“ Kirche könnte ein anderes „globales“ Gesicht zeigen, sie könnte andere Netze der Solidarität bilden, könnte dem Krieg und der Armut entgegenwirken. 
 
Unsere Basisökumene ist wichtig, sie ist ein einzigartiges Zeugnis. Sind wir fähig, diese unsere Erfahrung in der Weltkirche einzubringen, auf anderen Ebenen, wirklich anwesend zu sein, dort, wo Ökumene gelebt wird?  
 
 
c. Die Kirche möge Gesellschaftsmodelle entwickeln und dort einwirken, wo es möglich ist. 
 
Allein das Dasein als Gemeinschaft der „zerbrochenen Mauer“ stellt eine wichtige Art dar, ein alternatives Sozialmodell in unserem Umfeld anzubieten. Wir dürfen das nicht unterschätzen. Wenn es heute Krankenhäuser, Schulen, soziale Hilfsprogramme gibt, verdanken wir es der Tatsache, dass Christen viele Jahrhunderte lang Kranke gepflegt, den Stellenwert des intellektuellen Lebens verstanden, den Armen geholfen haben. Einige Verhaltensweisen sind zunächst modellhaft, und werden anschließend von der Welt außerhalb der Kirchen angenommen. Die Rolle der Kirche als „Soziallabor“ ist beachtlich. Das langsame und beharrliche Tun von sozialen Gruppen mit starken Überzeugungen trägt wahrscheinlich genauso zu Veränderungen innerhalb der Gesellschaft bei, wie spektakuläre, medienwirksame oder von oben auferlegte Aktionen, wenn nicht noch mehr. Die Friedensarbeit erfolgt in Geduld und Dauer. 
 
So kennt beispielsweise der Weg zur Demokratie Höhen und Tiefen und geht nicht so schnell wie erwünscht. Wer hätte aber vor fünfhundert Jahren in Europa behauptet, dass es außerhalb der Monarchie andere wünschenswerte oder mögliche Regierungsarten gäbe? Es waren nur wenige. Und doch geht die Demokratie ihren Weg, Schritt für Schritt und wir stimmen wohl alle darin überein: soziale und politische Wahlen sind besser als ein Bürgerkrieg. Das gleiche gilt für eine Welt, in der Entscheidungen wirklich mehrseitig/multilateral getroffen werden. 
 
Für uns gilt es auch, einfallsreich und schöpferisch zu sein. Wir müssen schauen, wie wir in der Gesellschaft und außerhalb der Kirche anwesend sein können, Gesten und Taten vorschlagen, die sich auf unsere Werte gründen. Der Friede Christi, den wir in unseren Gemeinschaften zu leben versuchen, drängt uns in die Welt, mit Ideen, Gesten, Praktiken. Wir werden lernen müssen, unsere Überzeugungen in andere Sprachen, in andere Wertesysteme zu übersetzen. 
 
 

Schlussbemerkungen : an der Hoffnung festhalten, unsere Vision dank der Feier und dem Gebet am Leben halten

 
„Friedenkirche“ sein ist keine einfache Angelegenheit. Um „Friedenkirche“ zu werden, um „Friedenkirche“ zu bleiben, brauchen wir eine haltbare Theologie und ein geistliches Leben, das gut in Christus verwurzelt ist. 
 
In diesem theologischen Erbe, das es zu pflegen gilt, gibt es die Eschatologie. Das Hoffen auf Christus ist zentral: durch sein Leben, seinen Tod und seine Auferstehung sind die Mächte des Bösen und des Todes besiegt worden. Hier finden wir den Sinn und den Motor der Geschichte. Auf diese Wirklichkeit hin sind wir unterwegs. Hin zu der Wirklichkeit dieses Versöhnungsprojektes für alles und alle, hin zu der Wirklichkeit dieses Segens für alle Nationen. „Wir warten aber auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach seiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. “ (2. Petrusbrief, 3;13).
 
Wir müssen aber auch wissen, dass wir noch nicht soweit sind. Dieser Sieg ist „schon“ errungen, aber er ist „noch nicht“ vollkommen in der Geschichte verwirklicht. Wir befinden uns in einem Wartezustand, warten auf eine Wirklichkeit, die vor uns liegt. Aber bei allem Warten sind wir dazu aufgerufen, diese Hoffnung, diese neue Wirklichkeit in die Gegenwart einzubringen. Das Warten ist aktiv, nicht passiv. 
 
Wenn wir zu sehr das „schon vorhanden“ des Reiches Gottes betonen, kann es passieren, dass wir die Wirklichkeit des Bösen verkennen, das immer noch in unserer Welt (und in uns) am Werke ist. Da könnte es sein, dass wir an Gottes Stelle handeln und Abkürzungen nehmen wollen, oder wir bleiben naiv angesichts komplizierter Tatbestände. Wenn wir zu sehr das „schon vorhanden“ des Reiches Gottes betonen, kommen wir in Verlegenheit und Verwirrung, wenn der Krieg ausbricht, wenn wir ihn nicht haben aufhalten können. 
Wenn wir dagegen zu sehr das „noch nicht“ betonen, akzeptieren wir die Wirklichkeit, so wie sie erscheint, oder wir laufen Gefahr, zynisch zu werden. „Schon“ und „noch nicht“: wir leben diese Spannung, wir leben in ihr, sie ist es, die unsere Schritte lenkt. Und auf diesem Weg brauchen wir Geduld, Sanftmut, Beharrlichkeit und Mut.  
 
Diese Spannung zwischen dem „schon“ und dem „noch nicht“ hilft uns, einen anderen Blick auf die Welt und die Geschichte einzuüben, das Leben anders zu lesen, Zeichen der Gegenwart Gottes dort zu suchen, wo wir sie nicht vermuten. Die aktiven Pazifisten könnten, auch sie, versucht werden, die Welt anhand der Kriterien der Großen und Mächtigen zu betrachten. Ein Teil unserer Aufgabe ist es, den anderen Blick zu pflegen, der sich auf die Hoffnung des Evangeliums gründet. 
 
Dieser Blick, der sich immer auf Christus gründet, behauptet, dass nicht die Nationen und Herrschenden, nicht die Mächtigen und Reichen Motor der Geschichte sind, sondern die Menschen, die Jesus im Alltag folgen, sowie die Kleinen und Vergessenen unserer Welt. Das bringt uns dazu, die Geschichte der Völker und unseres eigenen Lebens anders zu lesen und zu erzählen.
 
Was wie heute oder morgen tun, hängt oft davon ab, wie uns die Vergangenheit erzählt wird... Um eine neue Zukunft zu eröffnen, müssen wir die Vergangenheit neu lesen. Die Geschichte muss denen „entzogen“ werden, die nur von Herrschergeschlechtern und Schlachten berichten. Seit jeher wird fast nur das Gewaltsame der Geschichte gelehrt und gelernt. Könnten wir nicht etwas anderes erblicken, wenn wir die Vergangenheit anders anschauten? , wenn wir die Geschichte der einfachen Menschen erzählten, wenn wir eine Kultur nicht nach dem Erfolg ihrer Heere beurteilten, sondern nach der Art, wie sie mit dem Armen und dem Fremden umgeht, wie sie den Boden bestellt?  
Was in der Geschichte zählt, sind viel weniger die Namen der Ministerpräsidenten oder die verabschiedeten Gesetze, dieser oder jener Staatstreich, dieses oder jenes neue Antiraketen-Verteidigungssystem, sondern das langsame Anhäufen von sehr kleinen Gesten und Taten: Eltern, die ihre Kinder erziehen, Kinder, die in der Schule lernen, Handwerker, die ihre Arbeit gut tun, Ärzte, die ihre Patienten versorgen können, Autofahrer, die auf der Straße bleiben, Polizisten, die Fehler vermeiden, Menschen, die lieben und vergeben können, Konflikte, in den Kulissen verwaltet und gelöst werden…
 

Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. (Markus 4; 26-27).

Das Himmelreich gleicht einem Sauerteig, den eine Frau nahm und unter einen halben Zentner Mehl mengte, bis es ganz durchsäuert war. (Matthäus 13; 33). 
 
Einen neuen Blick einüben, der sich auf die Hoffnung auf Christus gründet, in unseren Ortsgemeinden, in einer wirklich katholischen Kirche, in unserer Anwesenheit innerhalb der Gesellschaft und der Welt. Diesen Blick auch beibehalten, selbst wenn die Presse nur vom Krieg, vom Geld und von den Mächtigen spricht. Vor allem dann müssen wir weiter feiern und beten, unser Leben in Christus verwurzeln, den Geist Gottes einladen, in uns Wohnung zu nehmen, um uns zu erneuern und unsere Einsicht und unsere Gesten zu gestalten. „Lasst uns suchen, was zum Frieden dient“: in unserem Gebet, in unserem Leben, in unserem Blick auf die Welt und die Mitmenschen. 
 
Neal Blough
Mai 2003
   

 



[1]  Für eine detailliertere Beschäftigung mit Babel siehe unseren Aufsatz : “From the Tower of Babel to the Peace of Jesus Christ : Christological, Ecclesiological and Missiological Foundations for Peacemaking “, Mennonite Quarterly Review, Januar 2002, S. 7-33.