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K A I R O S     E U R O P A

Alternativen zur neoliberalen Globalisierung
Öffentliche Anhörung
am 21. Oktober 1999 (9:30 - 18:30)
in den Räumen des Europäischen Parlaments in Brüssel

Hintergrund:

An den Wahlerfolgen sozialdemokratischer, sozialistischer und grüner Parteien in zahlreichen europäischen Staaten in den letzten Jahren wurde deutlich, daß die Mehrheit der Wähler/innen sich nach Jahren der Umverteilungspolitik von unten nach oben von einer politischen Trendwende mehr Beschäftigung und soziale Gerechtigkeit erhofft hatte. Eine erste, vorläufige Bilanz rot-grüner Politik in Europa kommt allerdings zu äußerst unbefriedigenden Ergebnissen: Weder wurden auf der Ebene der Europäischen Union (EU) überzeugende Anstrengungen unternommen, um dem globalisierungsbedingten Wettlauf der Nationalstaaten – etwa um niedrigere Sozialstandards und Steuersätze – Einhalt zu gebieten, noch wurde in den Mitgliedsländern selbst die Rückführung der untolerierbaren Massenarbeitslosigkeit und sich verschärfenden Armut ernsthaft in Angriff genommen.
Ganz im Gegenteil machen die jüngsten Ankündigungen maßgeblicher Wortführer innerhalb der europäischen Sozialdemokratie (siehe etwa “Der Weg nach vorne für Europas Sozialdemokraten“ von Tony Blair und Gerhard Schröder) unmißverständlich deutlich, daß die soziale Tradition Europas preisgegeben und statt dessen eine “sozialdemokratische“ Neuauflage neoliberaler Politik in die Wege geleitet werden soll. Eine solche Fortsetzung angebotsorientierter Konzepte mit Steuersenkungen für Unternehmen und Besserverdienende bei gleichzeitigen Einschnitten in die soziale Sicherung wird jedoch die sozioökonomischen Probleme in Europa um ein weiteres zuspitzen – vor allem auf Kosten der Erwerbslosen und Empfänger/innen staatlicher Transferleistungen sowie zahlreicher Arbeiter/innen und Angestellter.
Vor diesem Hintergrund dürfte der Verlust von mehr als 30 Mandaten auf seiten der Sozialdemokratischen Partei Europas bei den Europawahlen als ein erster Ausdruck der tiefen Enttäuschung der Wähler/innen über die Politik der “neuen Mitte“ zu interpretieren sein.
Darüber hinaus unterstreicht die extrem niedrige Wahlbeteiligung erneut und auf geradezu alarmierende Weise, daß die EU-Politik insgesamt einer grundlegenden Neuorientierung im Sinne einer stärkeren Einbeziehung der Bevölkerung bedarf. Anstelle der bislang vorwiegend an wirtschaftlichen Interessen ausgerichteten Integration muß europäische Politik künftig in erster Linie den Anliegen der Bürger/innen gerecht werden.
Dies gilt ebenso für die Entwicklungspolitik der Gemeinschaft und die Rolle, die die EU auf der internationalen Ebene spielt. Auch in dieser Hinsicht wird in zunehmendem Maße Gesichtspunkten der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Vorrang eingeräumt. Statt dessen sollte sich die EU als eine der mächtigsten Staatengemeinschaften und maßgeblichen Profiteure der internationalen Arbeitsteilung vor allem Ansätzen zur kooperativen und fairen Bewältigung der ebenso tiefgreifenden wie folgenschweren weltwirtschaftlichen Strukturprobleme verpflichtet fühlen.
Um der drohenden Reduktion Europas auf einen reinen “Wettbewerbsstaat“ entgegenzuwirken, ist die zivile Gesellschaft in Europa gefordert, sich gemeinsam mit Partner/innen aus anderen Teilen der Welt und gleichgesinnten Kräften in den Parteien künftig stärker für ein gerechteres und solidarisches Europa einzusetzen.

Zur Anhörung:

In diesem Sinne soll die Anhörung, die den Abschluß eines von der Europäischen Kommission unterstützten dreijährigen Projektes zu “Alternativen zum dominierenden Entwicklungsmodell“ darstellt, zukünftige Herausforderungen europäischer Politik thematisieren. Vertreter/innen von sozialen Bewegungen, Gewerkschaften, Nichtregierungsorganisationen und Kirchen sowie Wissenschaftler/innen aus Europa und dem Süden werden Alternativvorschläge, Forderungen und Strategien im Sinne einer Re-Regulierung der Märkte vorstellen und diese mit Mitgliedern der Europäischen Kommission und des Europaparlaments diskutieren.
Der erste Teil der Anhörung (9:30 - 13:00) wird im Zeichen internationaler Fragen stehen, während sich der Nachmittag (15:00 - 18:30) mit den Auswirkungen der EU-Politik auf die Bürger und Bürgerinnen Europas beschäftigen wird.

Zu den Inhalten der Anhörung:

Durch das Vorantreiben von Liberalisierungs- und Deregulierungsmaßnahmen hat die Europäische Union aktiv dazu beigetragen, daß Politik sich heute in erster Linie an dem angeblichen “Sachzwang der Globalisierung“ ausrichtet und die staatlichen Gestaltungsspielräume immer weiter einschränkt. Spätestens mit Ausbruch der Asienkrise wurde eindrücklich unter Beweis gestellt, daß das internationale Finanzsystem heute kaum noch zu kontrollieren ist und mittlerweile eine ernsthafte Gefährdung für die gesamte Weltwirtschaft darstellt.
Sowohl im Interesse ihrer eigenen Handlungsfähigkeit als auch angesichts ihrer - nicht zuletzt durch die Einführung der gemeinsamen Währung - zunehmenden internationalen Bedeutung ist die EU darum gefordert, sich für eine stärker politisch regulierte Wirtschafts- und Finanzordnung einzusetzen, die den Anforderungen an eine menschliche Entwicklung weltweit gerecht wird. Diese Herausforderung ist für die innereuropäische Politik von ebenso großer Bedeutung wie für die Beziehungen der EU zu Drittstaaten.
Vor diesem Hintergrund werden bei der Anhörung zwei Problembereiche zur Debatte stehen, die entschiedene Antworten seitens der politischen Entscheidungsträger in Europa erfordern:

Alle Interessent/innen sind herzlich eingeladen, an der öffentlichen Anhörung teilzunehmen und sich aktiv an den Diskussionsrunden zu beteiligen. Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Kairos Europa · Hegenichstrasse 22 · D-69124 Heidelberg
Tel.: +49 (0)6221 712610 · Fax: 781183 · email: [email protected]

K A I R O S E U R O P A
Alternativen zur neoliberalen Globalisierung
Anhörung in den Räumen des Europäischen Parlaments
Brüssel, 21.10.1999, 9:30 - 18:30

Internationaler Teil:
Alternativen zur neoliberalen Nord-Süd-Politik der Europäischen Union

Erwartungen und Forderungen von sozialen Bewegungen aus Afrika und der Karibik


9:30 - 10:00: Begrüßung und Einführung:
Grundlagenreferat 1: N.N. (Vertreter/in des Südens*)
Grundlagenreferat 2: Susan George, Observatoire de la Mondialisation / Transnational Institute, Frankreich

10:00 - 10:30: Vorschläge und Forderungen an die Europäische Union:
3 - 4 Beiträge
N.N. (Vertreter/innen aus Afrika und der Karibik*)

10:30 - 11:00: Antworten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments:
Glenys Kinnock, Labour Party, Großbritannien (angefragt)
Wolfgang Kreissl-Dörfler, Bündnis 90/Die Grünen, Deutschland (angefragt)

11:00 - 11:30: Kommentare und Nachfragen

11:30 - 12:00: Antworten von Vertreter/innen der Europäischen Kommission:
Philip Lowe, Generaldirektor GD VIII (angefragt)
N.N. (GD VIII)

12:00 - 12:30: Kommentare und Nachfragen

12:30 - 13:00: Abschlußstatements:
Bilanz: N.N. (Vertreter/in des Südens*)
Strategischer Ausblick: Ulrich Duchrow, Kairos Europa


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13:00 - 15:00: Mittagspause

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Europäischer Teil:
Alternativen zur neoliberalen Politik der Europäischen Union

Erwartungen und Forderungen an europäische Politik



15:00 - 15:30: Begrüßung und Einführung:
Grundlagenreferat: Ignacio Ramonet, Le Monde diplomatique (angefragt)

15:30 - 16:00: Vorschläge und Forderungen an die Europäische Union:
Jörg Huffschmid, Universität Bremen/Deutschland
Hans-Jürgen Urban, IG Metall/Deutschland (angefragt)
N.N. (Verteter/in “Euromärsche“ bzw. “Europäisches Netzwerk gegen Armut“)

16:00 – 16:30: Antworten von Mitgliedern des Europäischen Parlaments:
Elaine Flautre, Les Verts/Frankreich (angefragt)
Alain Lipietz, Les Verts/Frankreich (angefragt)
N.N., Sozialdemokratische Partei Europas

16:30 – 17:00: Kommentare und Nachfragen

17:00 – 17:30: Antworten von Vertreter/innen der Europäischen Kommission:
Allan Larsson, Generaldirektor DG V (angefragt)
N.N. (GD II)

17:30 – 18:00: Kommentare und Nachfragen

18:00 – 18:30: Abschlußstatements:
Bilanz: N.N.
Ausblick: Rob van Drimmelen, APRODEV


Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an:
Kairos Europa · Hegenichstrasse 22 · D-69124 Heidelberg
Tel.: +49 (0)6221 712610 · Fax: 781183 · email: [email protected]