Der Gärtner und der Feldherr

Es lebte einmal in einem kleinen Dorf ein Gärtner, der einen grossen Garten hatte. Er baute einen starken Zaun um den Garten, damit die Tiere, die in der Gegend frei herumliefen, nicht hinein gehen können. Jeden Morgen machte er einen Spaziergang durch den Garten und bewunderte seine Blumen und Pflanzen.
Eines Morgens erwartete ihn aber ein schreckliches Bild. Der Garten sah aus, als hätte dort in der Nacht ein Krieg stattgefunden. Blumen und andere Pflanzen waren ausgerissen oder aufgefressen, Beete zertreten, nichts war verschont geblieben.
"Das muss der Hase gewesen sein," dachte der Gärtner und eilte schnell ins Schloss, um die Sache zu melden und den Hasen zu verklagen. Er sprach zu dem Feldherrn:
"Mein Herr, ich verlange Gerechtigkeit! Der Hase hat meinen ganzen Garten verwüstet.”
"Bist du sicher, dass es der Hase war?" fragte ihn der Feldherr.
"Ja mein Herr, ich habe seine Spuren gefunden. ”
"Gut. Wir bringen die Sache in Ordnung. Morgen gehen wir auf Jagd und schnappen uns den Kerl. Geh schnell nach Hause und triff alle nötigen Vorbereitungen. Morgen früh sind wir bei dir."
Und wie gesagt, so getan. Am nächsten Tag traf der Feldherr in Begleitung seiner Männer ein.
"Ohne Frühstück geht man aber nicht auf Jagd!" sagte der Feldherr. "Hast du 'was zum Essen?"
"Ja, mein Herr," antwortete der Gärtner und holte einen Schinken, den die Gäste schnell verschwinden liessen.
"Das ist aber ein komisches Schwein," bemerkte der Feldherr, während er seinen Bauch streichelte. "Das hatte nur einen Schinken."
Natürlich hatte das arme Tier auch einen zweiten Schinken. Der war in der Kammer aufgehängt. Der Gärtner holte ihn hervor, und der Feldherr und seine Männer assen ihn auf. So kamen alle Teile, eins nach dem anderen, an die Reihe, und am Ende war die Kammer des Gärtners völlig leer. Auf diesen Schicksalsschlag folgte der Keller. Schwein muss nämlich mit Wein heruntergespült werden, und dass wussten der Feldherr und seine Männer wohl.
Als sie schließlich genug gegessen und getrunken hatten, wurden sie schläfrig. Schläfrig geht man aber nicht auf die Jagd, nicht einmal dann, wenn es um den Hasen geht. So liessen sie sich die Betten machen, sanken bald in tiefen Schlaf und erwachten erst am Abend, als es schon fast dunkel war. Der Feldherr streckte seine steifen Glieder und liess die Jagdhörner blasen. Endlich stiegen alle in den Sattel, ritten hin und her, schrien laut, und die Jagd begann kreuz und quer in dem grossen Garten.
Es war aber alles umsonst, der Hase war nicht aufzufinden. Im hintersten Winkel des Gartens war ein einziger Kohlkopf verschont geblieben, und dort unter seinen Blättern fand der Kerl sein Versteck. Als die Jäger zu nah herankamen, sprang er heraus und lief durch ein Loch im Zaun schnell davon. Der Feldherr und seine Männer jagten hinter ihm her und machten dabei in der grossen Eile den Zaun kaputt. Sie verfolgten den Hasen nur bis zum Rande des Waldes, von wo sie dann in aller Ruhe zur ückkehrten.
"Es tut mir leid," sagte der Feldherr. "Du hast mit eigenen Augen gesehen, daß ich versucht habe, was ich nur konnte. Aber dieses verdammte Tier war einfach klüger als wir."
Und so ritt er mit seiner Begleitung davon.
Der Gärtner blieb in seinem Garten, der in Ruinen verlassen lag, und dachte bei sich:
"Es wäre besser gewesen, die Angelegenheit unmittelbar mit dem Hasen selbst zu regeln. Diese sogenannte Hilfe hat mir mehr Schaden zugefügt, als es hundert Hasen in hundert Jahren je vermocht hätten.”

Überarbeitung: BiDo
18. Juni 1999