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Erfolgreiche zweite Saison im Freibad Domblick

Streetworker-Projekt soll jung bleiben und Beine in den Stadtteilen bekommen

Wetzlar (öh). "Unsere Aktion lebt dann, wenn man sie nicht sieht." Mit dieser einfachen Formel blicken Barbara Bayani und Harald Würges als Organisatoren des Streetworker-Projekts auf dessen zweite Saison. Entsprechend sieht die Polizeistatistik das Projekt nicht : Null Einsätze im letzten Jahr, Null Einsätze in diesem Jahr.

So nüchtern diese beiden Nullen die Erfolgsbilanz des Projekts ebenfalls beschreiben, ist - so harmlos es klingt - das Wetter Baustein für die positive Bestätigung der geleisteten
Arbeit.
Hitze macht Streß, viele Besucher bedingen engere Toleranzgrenzen und weniger Bewegungsmöglichkeiten - die Aggressionsschwelle sinkt. Würde man dieser Logik folgen, so führt gutes Wetter zu mehr Zwischenfällen. Daß die Realität im Wetzlarer Domblick inzwischen genau anders aussieht und verstärkt Eltern mit Kinder sowie "verlorene" Gäste das Bad wieder besuchen, ist ein Erfolg der Streetworker.
Ihre Aufgabe ist, mit Fingerspitzengefühl bei aufkeimenden Konflikten deeskalierend zu wirken. Dabei sollen Kontakte nicht gekappt, sondern verknüpft werden, sagt Harald Würges vom Stadtjugendring Wetzlar. "Darüber entsteht die Atmosphäre."
Hierbei liefert die intensivierte Schulung imVorfeld - es brachten einige Streetworker des letzten Jahres ihre Erfahrungen ein - die nötige argumentativen und Handlungsweisen "Werkzeuge". Im Freibad selbst würden die Streetworker entweder "mit skeptischer Zurückhaltung angesehen oder von einer Woge der Sympathie getragen" , beschreibt Barbara Bayani (Koordinationsbüro des Bürgermeisters) das Spannungsfeld der Jugendlichen.
Nach ihrer Einschätzung können die Freiwilligen aus der mehrheitlichen Sympathie ihr Selbstbewußtsein und ihre "positive Schaffenskraft" ziehen. Barbara Bayani zieht Paralellen zwischen den 16 Streetworkern und ihren "T-Shirt-Uniformen" und der Unantastbarkeit oder dem Respekt gegenüber den englischen Bobbys.
Daß ein Konflikt sportlich zuende gebracht werden kann, verkörpert zum Beispiel das Volleyballnetz. Sehr gut angenommen, biete es auch die Möglichkeit "eine solche Niederlage ist leichter zu nehmen als ein Verlust der Ehre", beschreibt Würges diese Kompensation von Aggression.
"Es ist nur ein kleiner Ausschnitt von Jugendarbeit", sagt Harald Würges über die Streetworker im Freibad als "Mikrokosmos Wetzlars". Dort sollte das Funktionieren der Idee unter Beweis gestellt werden, aber Würges fügt klar hinzu : " Wir wollen, daß das Projekt Beine in die Stadtteile bekommt." Mit engagierten Freiwilligen und ohne starre Strukturen in den Lebensräumen der Jugendlichen.
Die Zusammenarbeit mit Vereinen und Institutionen, die Finanzierung durch Spenden und die Organisation durch die Stadt bewirke, daß das Projekt seinen lebendigen und spannenden Charakter behalte und jung bleibe.

/WNZ, Freitag, den 5. September 1997, Seite 17, Stadt und Land/